Yippieeeee! Endlich am Nordkap! Endlich am nördlichsten Punkt des europäischen Festlands, auf einer Breite von 71 Grad, 10 Minuten und 21 Sekunden…

Oder etwa doch nicht? Ok, die Positionsangabe stimmt, aber das andere nicht! Was viele gar nicht wissen (und die Tourismusverbände uns natürlich auch nicht verraten mögen)…

… das Nordkap gehört gar nicht zum europäischen Festland, sondern es liegt auf einer Insel namens Magerøya!

… es gibt auf Magerøya einen andern Punkt, der noch nördlicher liegt, und den man bei gutem Wetter sogar vom Nordkap aus sehen kann!

… unter allen zu Europa zählenden Inseln oder Inselgruppen gibt es noch so einige, die deutlich nördlicher liegen als Magerøya, z.B. Spitzbergen!

Also, was soll der ganze Hype um das Nordkap? Warum wollen dort Jahr für Jahr 200.000 Besucher hin, warum treffen dort täglich unzählige Busladungen von Touristen ein? Und warum gibt‘s dort Platz für mehr als 500 Wohnmobile?

Nun, etwas besitzen die anderen Orte nicht, nämlich die spektakuläre Lage auf dem schroffen und nach langer Anfahrt erreichbaren, etwa 300 Meter hohen Hochplateau, das für ein so gut vermarktetes landmark wie geschaffen zu sein scheint! Selbst wenn, wie so oft, das Wetter nicht mitspielt und man kaum die Hand vor Augen sehen kann, hat man doch irgendwie das Gefühl, an einem ganz besonderen Ort zu sein…

Aber ‘mal schön der Reihe nach… 😉

Gestern morgen bin ich von Tromsø aus losgefahren, um die letzte Etappe zum Nordkap in Angriff zu nehmen. Die Entfernung dorthin war mit knapp 550 km allerdings doch noch etwas zu weit für eine Tagestour! Also hab’ ich in der Nähe der 20.000-Einwohner-Stadt Alta noch eine Zwischenübernachtung auf einem kostenlosen Picknickplatz mit wunderschöner Aussicht auf einen kleinen Fjord eingelegt und heute dann die restliche Strecke zurückgelegt.

War die Landschaft gestern noch durch große Fjorde und gewaltige Gebirgszüge geprägt, fuhr ich heute überwiegend durch tundraartige Gegenden, so wie man sich dies auch vorgestellt hatte; hügelige Landschaften lösten die Berge ab, man sieht endlose, lichte Birkenwälder und viele kleinere und größere Flüsse.

Und natürlich jede Menge Rentiere, die auch schon ‘mal gern mitten auf der Straße stehen bleiben und sich einzeln bitten lassen, doch bitteschön ‘mal den Weg freizugeben..

In Olderfjord verlässt man die inzwischen vertraute E6 und biegt auf die E69 nach Norden ab. Von dort aus sind es noch genau 128 km bis zum Nordkap; diese Strecke muss man später auch wieder zurückfahren!

Durch meine Reisevorbereitungen wusste ich von den Gegebenheiten und den Straßenverhältnissen, allerdings hatte mir bisher noch kein Reiseführer „verraten“, wie schön diese Strecke ist; das hätte ich nicht erwartet! Als besonders reizvoll empfand ich das letzte Teilstück auf der bereits erwähnten Insel Magerøya, wo die Straße überwiegend der Küstenlinie folgt und man immer einen tollen Blick auf das Eismeer und die vielen kleinen Buchten hat. Einigermaßen gutes Wetter ist dabei natürlich Voraussetzung, und das war bei mir heute tatsächlich der Fall! Man fährt an traumhaft schönen Stränden mit türkisfarbenem Wasser vorbei, die schon fast Südseecharakter haben, jedenfalls, solange man nicht versucht, seinen Zeh ins Wasser zu stecken… ;-).

Auf der Insel selbst gibt‘s nur einen nennenswerten Ort, nämlich Honningsvåg, an dem man auch vorbei kommt. Hier legen alle Kreuzfahrtschiffe an, um ihre Gäste von dort aus mit Bussen zum Nordkap zu transportieren. Als ich am Hafen ankam, lag dort zwar kein Kreuzfahrer, aber doch tatsächlich und wie ich es mir insgeheim gewünscht hatte, wieder ein Schiff der Hurtigruten. Dazu noch eines, was ich noch nicht kannte, nämlich die „Spitsbergen“.

Auf der allerletzten Etappe schraubt sich die manchmal recht schmale, aber durchaus gut ausgebaute Straße ganz langsam nach oben, schließlich soll es ja auf 300 Meter Höhe gehen, während Honningsvåg noch fast auf Meereshöhe liegt. Vor dort oben bieten sich wieder tolle Blicke auf die Landschaft und das Meer; hier gibt‘s auch keine Bäume mehr, die den Blick versperren könnten.

Es war zwar immer noch ein wenig bewölkt, aber dieses Mal fuhr ich meistens in den Wolken, und nicht unter ihnen! Außerdem waren es keine „bösen“, sondern „gute“ Wolken, also fast transparente Schönwetterwölkchen, die sich im Wind schnell weiter bewegten oder sogar nach und nach auflösten.

Als ich am Nordkap ankam, war es zunächst noch ein wenig nebelig, aber kurz danach verschwanden die meisten Wolken und ich hatte bis weit nach Mitternacht mein absolutes Traumwetter! Alter Schwede, war ich froh! In den letzten Tagen bin ich nun wirklich nicht mit zu viel Sonne verwöhnt worden, und jetzt, an einem der Hauptziele meiner Reise, klappte es wieder hervorragend mit dem Wetter; das nenne ich ‘mal ‘ne sorgfältige Planung, oder…? 😉

An der Einfahrt zum Parkplatz saß ein junger Mann in einem kleinen Zahlhäuschen, der so freundlich und vergnügt dreinblickte, als sei er ganz allein für das tolle Wetter verantwortlich! Trotzdem hat er mir, ohne mit der Wimper zu zucken, für den Zugang umgerechnet etwa 28 Euro abgeknöpft.

Dieser Betrag scheint heftig zu sein, allerdings darf man dafür bis zu 48 Stunden auf dem WoMo-Parkplatz stehen und hat rund um die Uhr unbegrenzten Zugang zur Nordkap-Halle, dem dortigen Informationszentrum mit diversen Einrichtungen, Ausstellungen, Multivisionsfilmen usw.. Auch Restaurants, Cafés und Souvenirläden fehlen nicht, sogar eine kleine ökumenische Kapelle und ein Postamt, auf dem einem der begehrte Nordkap-Stempel auf seine Post gedrückt wird, sind vorhanden.

Der Parkplatz, der nichts weiter als ein sehr steiniges Felsplateau ist, war recht gut gefüllt, aber noch längst nicht voll; erst später am Abend schätze ich die Anzahl der Wohnmobile auf etwa 350!

Nachdem ich mich etwas eingerichtet hatte, machte ich einen ersten Rundgang über das Gelände, bis hin zur bekannten Weltkugel, die dort 1978 aufgestellt wurde. Dabei konnte ich schon ‘mal ein paar schöne Schnappschüsse ergattern…

Bei einem Besuch des Nordkaps sollte man sich auf jeden Fall auch das Denkmal „Kinder der Welt“ ansehen, was etwas abseits der Nordkap-Halle im Außenbereich installiert wurde; es wurde von sieben Kindern aus verschiedenen Teilen der Welt erschaffen und symbolisiert Freundschaft, Zusammenarbeit, Hoffnung und Freude – über alle Grenzen hinweg. Das Projekt, das 1989 ins Leben gerufen wurde, verleiht jedes Jahr einen Preis an Einrichtungen in aller Welt, die sich bedürftiger Kinder annehmen.

Nach einem kleinen Nachmittagsschläfchen (ich hatte ja schließlich einen anstrengenden Fahrtag hinter mir) und einem üppigen selbstgekochten Abendessen genoß ich die schöne Atmosphäre und das Superwetter den ganzen weiteren Abend. Selbst mein Kumpel Bart, der nur selten seinen Getränkehalter… ähm… seine Wohnung verläßt, wollte sich dieses Schauspiel natürlich nicht entgehen lassen.

Um 24:00 Uhr standen die meisten Menschen an der Weltkugel und feierten, teils ausgelassen und oft mit einem Gläschen Sekt, das, was man sich bei einem Besuch hier wohl am meisten wünscht: Mitternachtssonne am Nordkap!

6 Kommentare zu “71° 10’ 21″”

  1. Ja, jetzt hast Du es geschafft! Zwei erwachsene Leute sitzen hier und heulen! Sowas wunderschönes… und vor allem weckt es Erinnerungen an unsere Reise im Winter. Und es weckt den dringenden Wunsch, auch im Sommer einmal hinzufahren. Beides ist ein absoluter Höhepunkt. Und ein ganz tolle ERlebnis. Egal, ob es noch einen nördlicheren Punkt gibt.
    Schwester Z.

  2. Danke für den netten Kommentar! Ich wünsche euch, dass eure zweite Norwegenreise nicht in allzu weiter Ferne liegt! Bestimmt klappt es irgendwann einmal; es muss ja auch nicht immer die Präsidentensuite sein… 😉

  3. Hi Hans-Georg, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, von dir/euch wieder zu hören! Ja, das mit der Mitternachtssonne ist wohl nicht immer so selbstverständlich, wie es die Werbung uns einreden will. Ich hab' zweimal das Glück gehabt und bin damit sehr zufrieden! Ich hoffe, euch hat die Tour genauso gut gefallen wie mir meine; ich werde mir deinen Reisebericht gleich 'mal etwas genauer ansehen. Liebe Grüße, natürlich auch an Bernd…

  4. Wie wir das Nordkap erlebt haben, habe ich ja bereits berichtet (dicke Suppe). Dafür gibt es ein Bild, auf dem ich tatsächlich ganz alleine an der Weltkugel stehe – das hat sicher auch nicht jeder 🙂
    Respekt, dass Du eine solche Tour gemacht und geschafft hast – ich glaube, das ist wirklich der Traum vieler Menschen.

    1. Danke, Anja! Ja, auf diesem Besuch bin ich wirklich stolz und freue mich immer wieder, dass ich ausgerechnet hier so ein Glück mit dem Wetter hatte! Diese Tour würde ich sofort wieder machen wollen, wenn’s nicht noch so viele andere must-sees geben würde… 😉

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