Und weiter geht‘s mit meiner abenteuerlichen Wohnmobilreise durch das Baltikum, ab jetzt wieder in Grobrichtung Süden!

Gestern morgen habe ich Tallinn verlassen, um über Pärnu (früher: Pernau) und Salacgrīva, das ja bereits in Lettland liegt, den bekannten Gauja-Nationalpark zu erreichen, den ältesten und mit 920 ha größten Nationalpark Estlands; dort traf ich gegen 16:00 Uhr ein.

In der Nähe der Gemeinde Raiskums fand ich den Campingplatz Apalkalns Kempings, auf dem pro Nacht 12 Euro zu zahlen waren; alles, was man so auf einem Campingplatz erwartet, war dort zu finden. Es gab großzügige Stellplätze, Hütten und moderne, funktionale Anlagen; die Anlage liegt außerdem noch an einem hübschen kleinen See. Hier gab‘s nichts zu bemängeln, bis auf… naja, bis auf die Tatsache, dass ich ‘mal wieder der einzige Gast war! Nachdem die Betreiber, Mutter und Tochter, beide supernett, um 17:30 die Anlage verlassen hatten, war ich sogar der einzige Mensch weit und breit! Irgendwie schon ein bisschen gruslig und wenig spannend, aber mittlerweile kannte ich das ja schon…

Ich machte einen langen Spaziergang um den Platz herum, am See entlang und über ein paar matschige Äcker wieder zurück, danach machte ich es mir bequem und legte ausnahmsweise ‘mal einen ausgiebigen Fernsehabend (mit Bier und Chips 😉 ein.

Bis jetzt hatte ich in den großen Städten immer sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt; offensichtlich musste in den Zeiten dazwischen wohl irgendeine Art Ausgleich stattfinden, damit das so klappte, denn gestern fuhr ich den gesamten Vormittag durch dichten Nebel, der das Fahren extrem anstrengend machte. Am Nachmittag verschwand der Nebel endlich, aber nur, um einem Dauerregen Platz zu machen, der sich hier auch heute Morgen noch sehr wohl zu fühlen schien! Meine ursprüngliche Absicht, hier im Nationalpark etwas zu wandern oder Fahrrad zu fahren, musste ich leider komplett aufgeben. Ich entschloss mich deshalb, weiterzufahren und mich meinem nächsten Ziel zu widmen, bei dem ich ausnahmsweise ‘mal nicht so sehr vom Wetter abhängig sein würde.

Damit meine ich das wohl zu fast jeder Baltikumreise gehörende Schloss Rundāle, ein seit 1920 im lettischen Staatsbesitz befindliches Barockschloss, das auch das Versailles des Baltikums genannt wird. Es liegt in der Nähe der kleinen Stadt Bauska.

Es regnete leider immer noch, und der Sandparkplatz, auf dem tatsächlich ‘mal ziemlich viel Betrieb war, sah aus wie nach einer Schlammschlacht! Von dort aus geht man ca. fünf Minuten zum Schloss, das schon von außen einen wirklich bemerkenswerten Eindruck vermittelt.

Der Eintritt ist meiner Meinung nach mit 6,- EUR vergleichsweise günstig; im Schloss gibt es sehr viel zu sehen, und die aufwändigen und hübschen Gartenanlagen (auf die ich heute aber irgendwie gar keine Lust hatte 😉 waren ebenfalls im Preis eingeschlossen.

Im Eingangsbereich verpasst man jedem Besucher diese supermodischen blauen Plastikschuhe, damit die Böden geschont wurden; sieht irgendwie eigenartig aus… 😉

Das zweistöckige Schloss besteht aus drei Flügeln und beherbergt auf etwa 7.000 qm insgesamt 138 Zimmer und Säle. Die Ausstellung beinhaltet Exponate aus vier Jahrhunderten, u.a. Möbel, Porzellan, Silber, Gemälde und andere Hinterlassenschaften der kurländischen Herzöge.

Die reich und sehr festlich gedeckten Tische faszinieren mich immer ganz besonders bei derartigen Besuchen; alles wirkt sehr authentisch, und man hat das Gefühl, jeden Augenblick kämen die hohen Herrschaften zur Tür hereinspaziert…

Zufälligerweise fand hier gerade eine Veranstaltung statt, bei der auch „normalsterbliche“ Besucher zuschauen durften. Ich erlebte ein echt tolles Konzert von sehr begabten, jungen Musikern und Musikerinnen. Einige Solisten und Solistinnen, manche von ihnen noch sehr jung, trugen ihre Stücke an verschiedenen Instrumenten vor und ernteten danach ihren wohlverdienten Applaus!

Diese junge Lady spielte ein klassisches Stück auf dem Flügel so kraftvoll und ausdrucksstark, dass es mich fast vom Hocker fegte; schon nach 10 Sekunden war ich in sie verliebt! Der tosende Beifall und die sehr herzlich wirkende Gratulation des Orchesterleiters rührten sie wiederum so sehr, dass ihr sogar ein paar Freudentränchen von den Wangen kullerten…

Irgendwann war es schließlich Zeit, das lohnenswerte Schloss und die gesamte Anlage zu verlassen und weiterzufahren. Kurz vor der Grenze zu Litauen tankte ich ein zweites Mal während dieser Reise und fuhr dann zu meinem zweiten Tagesziel für heute, dem ebenso bekannten Berg der Kreuze.

Es handelt sich dabei um einen katholisch und überwiegend touristisch geprägten Wallfahrtsort mit sehr bewegter Geschichte, etwa 12 km nördlich des kleinen Ortes Šiauliai. Die Bezeichnung „Berg“ ist ein bisschen übertrieben, denn er ist gerade ‘mal 10 m hoch; eine schmale Holztreppe führt über einen sattelförmigen Hügel. Pilger pflegten hier früher Kreuze aufzustellen und verbanden damit häufig einen Wunsch oder einen Dank für etwas, was ihnen wichtig war. Das hat sich im Lauf der Zeit derartig verselbstständigt, dass es heute auf dem Hügel und auf dem etwa 1 ha großen Areal um ihn herum weit mehr als 50.000 Kreuze gibt; irgendwann vor vielen Jahren hatte man einfach aufgehört, sie zu zählen.

Am endlos langen Parkplatz erkennt man bereits, wie groß der Andrang hier im Sommer sein kann; jetzt standen hier nur eine Handvoll PKW, und meine „Hannelore“ wäre wieder ‘mal der Hingucker, wenn es denn genügend Hergucker gäbe.

Man konnte hier auch über Nacht stehen bleiben, da die Parkgebühr von sage und schreibe 2,90 EUR für 24 Stunden galt. Weil ich erst am Nachmittag hier ankam, dachte ich mir, ich nutze das aus und bleibe einfach hier. Sollte es so sehr regnen, dass ich den erst des Tages im WoMo verbringen müsste, würde sich vielleicht am nächsten Morgen noch eine weitere Gelegenheit ergeben, den „Berg“ zu besichtigen und Fotos zu machen.

Das war allerdings nicht notwendig; das Wetter hatte sich etwas beruhigt, und es gab abwechselnd Sonnenschein und ab und zu auch ‘mal ein bisschen Nieselregen, der aber zu vernachlässigen war. Es war allerdings „lausig“ kalt! Ich spazierte also los und machte Fotos über Fotos; hier eine nur kleine Auswahl meiner Ausbeute…

An manchen Stellen gleicht dieser Platz eher einer Müllhalde als einem Wallfahrtsort; die Kreuze, die fast allesamt aus Holz bestehen, sind über die Jahre natürlich auch der Witterung ausgesetzt, fallen irgendwann um und rotten dann vor sich hin…

Für die verwitterten oder verrotteten Kreuze gibt‘s im Bereich des Parkplatzes natürlich sofort Ersatz. Neben vielen anderen Souvenirs werden hier von jedem der „fliegenden Händler“ Holzkreuze in jeder Form und Größe angeboten.

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