Für heute früh hatte ich mir meinen Wecker auf 7:00 Uhr gestellt, denn ich wollte, bevor ich die Alabasterküste weiter in Richtung Südwesten erkundete, hier, von Le Tréport aus, ja noch eine ausgiebige Fahrradtour unternehmen.

So konnte ich nach einem kurzen Frühstück schon kurz nach 8:00 Uhr aufbrechen. Ich hatte auch heute wieder herrlichen Sonnenschein, allerdings war es um diese Zeit noch ziemlich kalt; eine dicke Jacke musste also auch mit!

Ich hatte mir gestern mit der KOMOOT-App auf meinem Smartphone eine ungefähre Strecke zusammengebastelt und fuhr nun zunächst ‘mal in Richtung Südwesten, immer auf der Steilküste entlang und immer mit herrlichem Blick auf das Meer.

In Criel-sur-Mer, dem kleinen Ort in der unteren Bildmitte des folgenden Fotos, ging es dann schließlich wieder landeinwärts. Die Steigungen, die ich bis hierhin bewältigen musste, waren nicht von schlechten Eltern, aber das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was mich noch erwarten würde (was ich zu diesem Zeitpunkt aber glücklicherweise noch nicht wusste…;-).

Meine Tour sah vor, in einem großen Bogen nach Eu zu fahren, einem etwas größeren Ort, der ebenso wie Le Tréport an der Bresle liegt, allerdings 5 km vor ihrer Mündung in den Ärmelkanal. Die Strecke bis dorthin war überaus abwechslungsreich; ich genoss es, durch die herrliche grüne Landschaft zu fahren, verschlafene Dörfchen zu durchqueren (in denen es aber stets nach frischem Baguette roch;-) und meinen Gedanken nachzuhängen. Es gab zwar keine Fahrradwege, aber hier herrschte sehr wenig Verkehr, wohl nicht nur wegen der frühen Tageszeit. Auch hier ging es teilweise schon recht heftig zu, was Steigungen und Gefälle betraf.

Gegen 9:30 Uhr erreichte ich dann Eu, eine Stadt mit etwas mehr als 7.000 Einwohnern. Dort gibt‘s ein hübsches Schloss mit Schlossgarten, das ich natürlich auf einem Foto festhalten musste. Es beherbergt heute das Museum Louis-Philippe sowie das Archiv der Gemeinde.

Der etwas „sparsame“ Name Eu stammt wahrscheinlich von der Bresle, die im Mittelalter Ou hieß. 2006 wurde sogar erwogen, die Stadt umzubenennen, weil sie bei Internet-Recherchen nur sehr schwer gefunden werden kann; man befürchtete dadurch touristische Nachteile.

Die Stadt war rappelvoll, es fand gerade der Wochenmarkt rund um die Kirche statt. Das sah ich mir natürlich ebenfalls genauer an, musste das Fahrrad nun allerdings schieben.

Danach trat ich den Rückweg an, dieses Mal überwiegend an der Bresle entlang, bis ins Hafengebiet von Le Tréport; vom nördlichen Standabschnitt boten sich wieder sehr viele hübsche Motive vor dem Hintergrund mit der Steilküste an, die ich am Vortag so nicht sehen konnte.

Es herrschte gerade Ebbe, und so konnte ich den eindrucksvollen Tidenhub von mehr als 7 Metern vor allem an den kleinen Schiffchen im Hafen erkennen, die hilflos wie Fische auf dem Trockenen lagen; nur das Zappeln fehlte noch… 😉

Schließlich wandte ich mich dem Hochplateau entgegen, wo mein Wohnmobil hoffentlich noch auf mich wartete. Ich ahnte natürlich, was mir jetzt gleich blühte, denn bequemes Fahrstuhlfahren, so wie gestern, ging ja nicht, wegen meines Fahrrads…

Um es kurz zu machen: das war eine ziemliche Tortur, die Besteigung des Mount Everest ohne Sauerstoffmaske muss im Vergleich hierzu ‘ne Lachnummer sein! Die Straßen wurden immer steiler und steiler, und schon nach kurzer Zeit musste ich absteigen und schieben!

Aber genau das war ja das Anstrengendste an der ganzen Sache, denn mein vollbeladenes Bike (über 30 kg!) dort hochzustemmen, wo es wegen der Steigung statt Gehwege überwiegend Treppen gibt, verlangte mir tatsächlich alle restliche Energie ab. Irgendwann kam ich dann aber doch, zwar völlig verschwitzt, aber wohlbehalten „oben“ an und bereitete meine Abfahrt vor.

Gegen 11:30 Uhr verließ ich den schönen Stellplatz auf der Steilküste und brach zu meinem nächsten Ziel auf, der Stadt Étretat, ebenfalls an der Alabasterküste gelegen und etwa 110 km von Le Tréport entfernt. Die Strecke führte, immer in der Nähe der Ärmelkanalküste, über Dieppe, Saint-Valery-en-Caux und Fécamp.

Gegen 14:00 Uhr erreichte ich Étretat. Der einzige im Ort gelegene Wohnmobilstellplatz liegt knapp zwei Kilometer vom Ortszentrum entfernt, direkt neben einem Campingplatz. Ich hatte Glück: der Platz war schon fast voll belegt, lediglich zwei nebeneinander liegende Parzellen direkt neben der Einfahrt waren noch frei. Ich besetzte die eine von ihnen, die andere blieb glücklicherweise bis zum nächsten Morgen unbesetzt!

Der Automat war übrigens das genaue Gegenteil von dem in Le Tréport: Man schob einfach seine Geldkarte ein, und ein paar Sekunden später erhielt man einen Beleg und es senkte sich ein Poller, der mitten auf der Einfahrt steht, in den Boden, sodass man auf den Platz fahren konnte. Na also, geht doch auch einfach… 😉

Die Hauptattraktion von Étretat sind, wie schon in Le Tréport, auch wieder die steilen Felsklippen, die den Ort auf beiden Seiten umrahmen. Hier gibt es wegen verschiedener Umstände sogar einige außergewöhnliche Felsformationen zu bestaunen. Der Ort lebt überwiegend vom Tourismus, einen Hafen von der Größenordnung wie in Le Tréport existiert hier nicht.

Die kleine Innenstadt sieht entsprechend aus; ich staunte nicht schlecht, als ich nach meinem Fußmarsch ins Zentrum die ersten Gebäude sah. Hier musste man sich als „normaler“ Tourist einfach wohlfühlen! Es gab unzählige Hotels, Restaurants, Cafés, Brasserien und natürlich noch mehr Souvenirläden. Gleich der erste von ihnen hatte mich schon am Wickel, denn dort erstand ich sofort einen Magneten als Andenken an die kleine Stadt; was man hat, hat man… 😉

Dann traf ich auf einen kleinen „Bimmelzug“, der Anstalten machte, gleich abzufahren, und ich war natürlich neugierig, wohin die Reise denn führen sollte. Der Typ, der anscheinend Geschäftsführer, „Anreißer“, Kartenverkäufer, Lokführer und Guide in einem war, deutete auf eine winzige Kirche, die man auf einer der Anhöhen im Hintergrund sah (sein gesamtes Englisch beschränkte sich leider auf die beiden Ausdrücke „eight euros“ und „thirty minutes“).

Da ich auf jeden Fall von dort oben fotografieren wollte, kaufte ich ein Ticket, setzte mich in den „Le Petit Train“ und schon ging es los! Das Gefährt machte einen Mörderlärm und hatte wegen seiner Länge enorme Schwierigkeiten, unfallfrei durch die engen Gassen des Städtchens und an den vielen Touristen vorbei zu kommen, bis es irgendwann endlich aus dem Ort hinausging. Während der anschließenden Steigungen wurde man allerdings noch mehr durchgeschüttelt; die begleitenden Erläuterungen, die man angeblich während der Fahrt über Kopfhörer sogar in Deutsch hören können sollte, gingen entweder durch das laute Getöse unter oder bestanden durch die nicht mehr so zuverlässigen Steckverbindungen lediglich aus mehr oder minder nervigem Kratzen im Ohr!

Irgendwann kam der Zug aber dann doch oben an, und ich konnte diesen „Höllenkäfig“ endlich verlassen. Oben war es herrlich! Und vor allem weniger bevölkert als befürchtet! Die Kirche entpuppte sich als kleine, aber durchaus attraktive Kapelle, die Chapelle Notre-Dame-de-la-Garde, benannt nach der Schutzpatronin der Seeleute.

Von hier aus konnte ich auch zum ersten Mal den Ausblick genießen; unter mir lagen der Ort, die Strandpromenade mit vielen Restaurants und Cafés, der durchaus belebte Strand und vor allem aber, weiter hinten auf der anderen Seite des Einschnitts, die Anhöhe mit dem Golfplatz und die ersten Felsformationen, wegen denen der Ort hauptsächlich bekannt ist.

Die Anhöhe, auf der ich hier gerade stand, nennt man die Falaise d‘Amont, also die oberen Klippen, während die unteren Klippen auf der anderen Seite Falaise d‘Aval heißen. Der Felsbogen, auf dem Foto oben rechts zu erkennen, heißt Porte d‘Aval (unteres Tor), wird aber umgangssprachlich auch als der „trinkende Elefant“ bezeichnet. Die 70 Meter hohe Felsnadel rechts daneben heißt Aiguille.

Die Treppe auf dem Foto deutet es schon an: Die Rückfahrt mit der Bimmelbahn ersparte ich mir (obwohl bezahlt), und ich ging zu Fuß hinunter in den Ort, genauer gesagt, zur Strandpromenade.

Ich genoß das wunderschöne Wetter, setzte mich für eine kleine Pause in ein Straßencafé, um einen leckeren Eisbecher und einen Cappuccino zu verdrücken, und machte mich dann schließlich auf, die Falaise d‘Aval zu erklettern.

Hier oben musste ich ein ganzes Stück weit wandern, um die beiden vorhin genannten Felsformationen von der anderen Seite und mit der Sonne fotografieren zu können.

Gleichzeitig sah man von hier aus, allerdings in südwestlicher Richtung, die zweite bekannte Formation, das so genannte Manneporte, was soviel wie „Großes Tor“ bedeutet.

Auf dem Rückweg zum Ort konnte ich einige weitere schöne Fotos von oben machen, jetzt allerdings schon bei abendlichen Licht und wieder mit der Sonne. Die vielen hübschen Villen, die fast ein wenig versteckt im Wald auf der gegenüber liegenden Anhöhe lagen, sehen wunderschön aus, finde ich.

Unten am Strand angekommen, wollte ich unbedingt noch bis zum Sonnenuntergang warten (etwa 20:30 Uhr); die Restaurants waren vollbesetzt, von überall tönte beschwingte Musik und die Gäste nippten an ihrem Gläschen Champagner oder verspeisten schon ‘mal als Vorspeise ein paar Austern oder Muscheln; Fronkreisch pur eben… 😉

Als ich endlich wieder im Wohnmobil saß, war es bereits stockfinster; ich trank und aß etwas und machte mich dann daran, diesen Bericht vorzubereiten. Ich werde wohl gleich noch etwas fernsehen, aber ich fürchte, das wird nicht allzu lange dauern, denn jetzt bin ich doch schon ziemlich geschafft von der langen Wanderei, der Radtour heute morgen und den vielen schönen Eindrücken, die ich heute sammeln konnte…

2 thoughts on “Beim trinkenden Elefanten”

  1. Um nach Deinem spannenden Bericht und den wirklich tollen Fotos, Wolfgang, auf Deinen Teneriffa-Kommentar zurückzukommen: ich kann mir vorstellen, daß es Dir in der Tat auf Teneriffa auch gut gefallen würde. Ist halt nur ein bißchen schwierig, mit dem WoMo auf die Insel zu kommen ;-). Aber auch mit Mietwagen klappt die Erkundung der Insel wirklich hervorragend – sooo groß ist sie ja nicht. Nur als Teaser: Wir haben sage und schreibe für all das, was ich in meinem Bericht beschrieben habe (Flug, Unterkunft und Mietwagen) im Mai dieses Jahres sage und schreibe gerade mal 1300€ bezahlt. Für zwei Leute!!! Wir konnten's selber kaum glauben.

    Da wird unsere Reise nächstes Jahr im Mai nach Peru doch etwas aufwendiger… ;-).

    Ich würde mich sehr freuen, Dich dann auch wieder bei unseren Fotos begrüßen zu können. Bis dahin

    Liebe Grüße

    Bernd

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