Heute habe ich gleich zwei Städte in‘s Visier genommen, nämlich Goldingen und Windau!
Wie bitte? Sagt euch nichts? Ok, dann eben mit den lettischen Namen: Kuldīga und Ventspils.
Aha, hab’ ich mir’s doch gedacht, ihr haltet also beides für „böhmische Dörfer“! Macht nix, dafür stelle ich sie euch ja hier gleich vor… 😉
Die Nacht auf dem ziemlich einsam gelegenen Picknickplatz verlief nicht ganz so ruhig, wie ich es mir gewünscht hätte. Gegen Mitternacht kam eine Gruppe junger Leute mit einem PKW angesaust, die aber ‘mal so richtig Bock auf Party hatten! Das heißt natürlich, alle aussteigen, um die Wette herumgrölen und -johlen und natürlich megalaute Musik mit einem Bass, der bei so manch einem schwerste Herz-Rhythmus-Störungen auslösen könnte! Da war an Schlaf selbstverständlich nicht mehr zu denken…
Ist aber kein eigentlich Problem für mich, schließlich war ich auch ‘mal jung und so ‘was ist mir natürlich nicht fremd. Außerdem bleiben die ja auch nicht die ganze Nacht über, dachte ich mir. Und so war‘s dann auch: nach etwa 40 Minuten verschwanden sie wieder, natürlich nicht, ohne noch einen ausgiebigen Schleuderkurs im herrlich weichen Waldboden zu absolvieren!
Mein Wohnmobil haben sie glücklicherweise komplett ignoriert (oder vielleicht gar nicht gesehen?), denn es kann auch schon allzu leicht passieren, dass dann ein paar ‘mal gegen die Wände geklopft wird, um ja niemanden von der tollen Party auszuschließen!
Danach konnte ich endlich einschlafen, allerdings setzte etwa eine Stunde später ein wirklich heftiger Regen ein, dessen Trommelsolo auf meinem WoMo-Dach wohl auch statt der Trompeten in Jericho hätte eingesetzt werden können, und der, was seine Lautstärke anbelangte, anscheinend mit der gerade erst verdauten Disco-Dröhnung aus dem Autoradio in Konkurrenz treten wollte! Ich weiß nicht mehr genau, was von beiden nach meinem Urteil schließlich hätte gewinnen müssen, denn irgendwann zog, wie die Jugendlichen vorhin, auch der Regen weiter und ich konnte endlich meinen mehr als verdienten Schlaf nachholen!
Heute Morgen regnete es schon wieder, allerdings nicht mehr ganz so stark wie in der Nacht. Ich plante beim Frühstück meine Route nach Kuldīga, das etwa 50 km im Landesinneren liegt. Die Fahrt dorthin bot nichts Besonderes, insbesondere, weil man durch den Regen sowieso kaum ‘was sehen konnte. Viel Weideland, ein paar Wälder und wenige, sehr kleine Dörfer, alles in allem sehr schön grün und irgendwie urwüchsig.
Kuldīga ist eine Stadt mit 12.000 Einwohnern. Sie liegt am Fluß Venta, der hier die eigentliche Sehenswürdigkeit des Ortes bietet: Mit dem Ventas Rumba (zu deutsch etwa „Windauer Rummel“) findet man hier doch tatsächlich den mit 240 m breitesten Wasserfall Europas (etwa doppelt so breit wie der deutlich bekanntere Rheinfall). Wer hätte einen solchen Superlativ ausgerechnet hier, im winzigen Lettland, erwartet? Da kann man die eher „übersichtliche“ Fallhöhe von gerade ‘mal 2 m doch wohl durchaus ‘mal außer acht lassen oder? 😉
Und mehr noch; direkt am Wasserfall findet sich eine sogar fast ebenbürtige Attraktion: Die längste mit dem Auto befahrbare Backsteinbrücke Europas! Von hier aus bietet sich ein schöner Ausblick auf die Venta, auf ihren Wasserfall sowie auf Teile der Altstadt.
Östlich der Venta, ganz in der Nähe der Brücke, fand ich einen großen Parkplatz, auf dem man sogar auch hätte übernachten können. Von dort wanderte ich zuerst hinunter zum Fluss und zum Wasserfall, danach auf die Brücke und schließlich in die Stadt hinein.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört, aber noch immer war alles „grau in grau“; bei schönem Wetter muss es hier am Fluss, aber auch in der Stadt, wirklich wunderschön sein! Bei meinem Stadtrundgang kam ich aus dem Staunen wieder ‘mal nicht heraus; für unsere Sehgewohnheiten präsentiert sich so eine Stadt eher wie eine Art „Lebendiges Museum“, mit Angestellten, die den ganzen Tag in der „Originalkleidung“ ihren althergebrachten Tätigkeiten nachgehen, um den Museumsbesuchern einen möglichst authentischen Eindruck zu vermitteln.
Ich weiß, das klingt etwas überheblich, aber so ist es ganz gewiss nicht gemeint! Was ich damit ausdrücken will, ist, dass uns in Deutschland meistens überhaupt nicht richtig bewusst ist, wie gut es uns im Vergleich zu anderen eigentlich geht, in welchen modernen und geregelten Verhältnissen wir leben dürfen und dass es eben woanders auf der Welt auch ganz anders, genauer gesagt, viel schlechter aussehen kann! Alles wirkte hier teilweise „uralt“, renovierungsbedürftig, wie aus den 30er Jahren!
Das Foto zeigt den Rathausplatz, der noch einigermaßen gewöhnlich aussieht; in meinem Rücken befinden sich das alte und das neue Rathaus.
Man glaubt es kaum, aber auf den beiden folgenden Fotos sieht man die Hauptfußgängerzonen der Stadt! Wie schon in Liepāja, fällt auch hier besonders der krasse Gegensatz zwischen dem Äußeren und dem Inneren der Geschäfte auf! Traut man sich erst ‘mal, eins zu betreten (man muss ja schließlich eine Tür öffnen!), steht man oftmals urplötzlich in einem supermodern eingerichteten Laden!
Nein, nicht zum Abriss freigeben, sondern das Stender‘s, ein angesagtes Restaurant mit Aussenterrasse…
Dies ist das alte Rathaus von Kuldiga, im 19. Jahrhundert erbaut. Darin befindet sich auch die Touristen-Information, wo ich ein nettes Gespräch mit einer Mitarbeiterin führte, die hervorragend Englisch sprach.
Gegen Mittag verließ ich die durchaus sehenswerte Stadt, um mein zweites Tagesziel anzusteuern.
In der 40.000-Einwohner-Hafenstadt Ventspils, dort, wo die Venta in die Ostsee mündet, und wo auch die großen Fähren der STENA LINE aus Travemünde anlegen, fuhr ich als erstes zum örtlichen Campingplatz Piejūras Kempings, der erst vor einigen Jahren komplett renoviert wurde. Er liegt am Stadtrand, in direkter Nähe zum Meer.
Die moderne und große Rezeption sowie einige Menschen, die dort geschäftig herumliefen, gaben mir zum ersten Mal das angenehme Gefühl, zu dieser Jahreszeit doch nicht so ganz allein als WoMo-Reisender im Baltikum unterwegs zu sein! Mit insgesamt 5 (in Worten: fünf!) Wohnmobilen auf dem Platz kann man den Platz ja schon fast als überfüllt bezeichnen… 😉 Alles wirkte tatsächlich noch sehr neu und großzügig; auch Bungalows verschiedener Größen können dort gemietet werden, und es gibt neben einem Sommercafé sogar ein großes Amphitheater, in dem in der Saison hin und wieder Veranstaltungen abgehalten werden! Ich fühlte mich auf Anhieb sehr wohl dort…
Ventspils (das bedeutet in etwa „Burg an der Venta“) ist die sechstgrößte Stadt des Landes und verfügt sogar über einen internationalen Flughafen. Ihre Sehenswürdigkeiten sind vor allem der lange Ostseestrand sowie die gut restaurierte Altstadt.
Überall in der Stadt verteilt findet man… Kühe! Jede Menge bunter Kühe! Sie gehören zu einem Kunstprojekt, das im Sommer 2002 im Rahmen der Kampagne „CowParade 2002“ organisiert wurde. 26 in Originalgröße gefertigte Fiberglas-Kühe wurden damals aufgestellt und später versteigert, einige von ihnen verblieben allerdings vor Ort. Im Lauf der Zeit sind immer wieder Exemplare dazugekommen und auch wieder verkauft. Heute stehen meines Wissens noch ca. zwanzig Kühe in der Stadt, neun von diesen teilweise echt witzigen Hinguckern habe ich auf meiner Radtour durch Stadt und Hafen, die ich am Nachmittag unternommen habe, „erwischt“:
Das letzte Foto zeigt die vermutliche prominenteste Kuh der gesamten Stadt, die mit dem blau-weiß gestreiften Matrosenpulli; von wegen Originalgröße, diese Kuh ist 4 m hoch und 7 m lang! Sie steht an der Südmole und begrüßt alle mit dem Schiff eintreffenden Besucher der Stadt.
Etwas weiter auf der Südmole, die die Hafeneinfahrt schützen soll, geht‘s auf einem kleinen, von unendlich vielen Wellenbrechern eingefassten Weg bis zum hübschen Leuchtturm; ein schöner Platz zum Angeln, aber auch, um die ständig einlaufenden Schiffe aller Art zu bestaunen…
Die hübsche russisch-orthodoxe St.-Nikolaus-Kirche steht direkt am Hafen, nur ein paar 100 Meter vom Anleger der STENA LINE entfernt. Diese altehrwürdigen Gebäude mit ihren verspielten, meist goldenen Zwiebeltürmchen gefallen mir mittlerweile so richtig gut!
Schließlich erreichte ich das eigentliche Zentrum der Altstadt mit dem großen Rathausplatz, dem Rathaus und der Nikolai-Kirche.
Gleich neben dem Rathausplatz liegt der Marktplatz, auf dem während seiner Öffnungszeiten ein reges Treiben herrscht. Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals so viele Kartoffelsorten nebeneinander gesehen wie hier…
Das Wetter hatte sich während meiner Tour glücklicherweise ganz gut gehalten, obwohl es später dann doch recht windig und auch kalt wurde. Irgendwann entschloss ich mich deshalb, meine Tour zu beenden; bis zum Campingplatz hatte ich noch etwa 7 km zu fahren.
Dort angekommen, hatte ich noch ein kleines Schwätzchen mit meinem WoMo-Nachbarn, einem Briten, der über Holland, Deutschland und Polen bis hierher gefahren war und noch weiter bis nach St. Petersburg wollte. Danach machte ich es mir gemütlich (vor allem: Heizung an!) und verbrachte den Rest des Tages im Wohnmobil. Dies war wieder einmal ein sehr abwechslungsreicher und interessanter Tag, der aber genau deshalb auch etwas anstrengend war; sehr lange werde ich meine Augen wohl nicht mehr aufhalten können… 😉
…alleine die 'Kuhparade' ist genial! 😉
Natürlich nicht nur die!
Bernd
Hallo
ja das kann ich alles so bestätigen. Auch wir haben 2019 die Kuhparade bewundern dürfen. Allerdings bei bestem Sonnenschein.
Mach weiter so!