Ich hab’ sehr gut geschlafen und steh’ Punkt 6 Uhr 30 auf. Meine für heute geplante Route nach Flåm ist mit 66 km zwar ziemlich kurz, aber schließlich hab’ ich ja heute auch noch Einiges vor.

Kurz vor Flåm biege ich für einen kurzen, aber laut Reiseführer lohnenswerten Abstecher von der E16 auf die schmale, meist nur einspurig befahrbare Straße 601 zum winzigen Fischerdörfchen Undreadal ab.

Die Strecke dorthin ist Natur pur, ‘mal abgesehen von der kleinen Straße, auf der ich mich befinde. Rechts wird man von einem quietschfidelen Sturzbach begleitet und auf beiden Seiten gibt‘s unzählige kleine Wasserfälle zu bestaunen, die von den Bergen herabstürzen. Da es noch sehr früh am Morgen war, habe ich fantastisches Licht, außerdem kommen mir auf der etwa 7 km langen Strecke höchstens zwei, drei PKW entgegen.

Im Ort gibt‘s es einerseits eine uralte Stabkirche (vermutlich eine der ältesten Kirchen Norwegens überhaupt; bei Dachreparaturen fand man die Jahreszahl 1147!), die allerdings von außen nicht mehr als Stabkirche zu erkennen ist. Leider stehe ich dort vor verschlossen Türen, sodass mir ihr besonderes Innere mit dem geschnitzten Leuchter, den verzierten Holzwänden und der Kanzel verwehrt bleibt; wann man dort hinein darf und wann nicht, konnte ich im Vorfeld leider nicht herausbekommen…

Zum anderen liegt der Ort, wie auch Flåm, sehr idyllisch am Aurlandsfjord und bietet außer ein paar Häuschen, einem Laden, einem Café und sogar einem winzigen Campingplatz nichts als wunderschöne Landschaft! So mag ich das… 😉

Eigentlich soll man auf einem kleinen Parkplatz vor dem Ort parken und den Rest zu Fuß laufen. Da ich aber weiß, dass im Ort ein Campingplatz existiert, man also auch mit dem Wohnmobil hineinfahren können muss, fahre ich zuerst zur kleinen Kirche und mache ein paar Fotos; das werde ich bereuen!

Beim anschließenden Wendemanöver kommen zweierlei Dinge unerwartet ins Rutschen! Zum einen eine ziemlich erschrockene Hannelore (mein WoMo) während des Rückwärtsfahrens auf einem extrem abschüssigen und in einem matschigen Acker endenden Schotterweg, zum anderen mein Herz, was unbedingt in die Hose wollte! Ging aber alles gut, hätte wohl doch vor dem Ort parken sollen… 😉

Dann geht es noch etwas weiter (und damit tiefer) in den Ort einen. Vor dem Campingplatz finde ich ausreichend Parkmöglichkeiten und schlendere durch den hübschen Ort bis hinunter zum Fjord; traumhaft schön ist es hier!

Die Rückfahrt ist entsprechend kurz; kaum bin ich wieder auf der E16, verschluckt mich schon wieder ein 5000 Meter langer Tunnel (der 1.476ste, glaub’ ich) und spuckt mich direkt vor meinem heutigen Ziel wieder aus. Ich blinzle an seinem Ende in ein fast rundes, von hohen Bergen umgebenes Tal, nur auf einer Seite eingeschnitten durch den bereits erwähnten Aurlandsfjord. Hier liegt der kleine Ort Flåm, der wohl heutzutage nur noch vom Tourismus lebt.

Ich checke auf dem Campingplatz ein und werde von einem Mitarbeiter, der mit seinem Fahrrad vorausfährt, zu meinem Stellplatz geführt. Der Platz besteht aus insgesamt fünf Terrassen (jetzt weiß ich, warum der Typ so kräftige Waden hat), sodass jedes Wohnmobil freie Sicht auf das Tal, den Ort und auf den Fjord hat; sehr schön!

Die Hauptattraktion, wegen der jährlich Millionen von Touristen den Ort „überfallen“, ist die Flåmbahn. Sie gehört laut Werbung zu den spektakulärsten Zugreisen der Welt und ist eine der bedeutendsten Attraktionen Norwegens. Der Zug fährt innerhalb von etwa einer Stunde vom Ende des Aurlandsfjords, einem Nebenarm des Sognefjords, von Meereshöhe hinauf ins Hochfjell zur 867 Meter hoch gelegenen Bahnstation Myrdal, die auch an der Bahnstrecke Oslo – Bergen liegt.

Die Flåmbahn ist eine der steilsten Bahnstrecken der Welt auf Normalspur, auf fast 80% der Strecke beträgt die Steigung 5,5%. Die Fahrt führt durch eine fantastische Landschaft, vorbei an steil abfallenden Felswänden, tosenden Wasserfällen, durch insgesamt 20 Tunnel, und bietet sehr viele Aussichtspunkte.

Natürlich will ich auch Bahn fahren! Aus diesem Grund gehe ich, nachdem ich mich auf dem Campingplatz etwas orientiert und eingerichtet habe, sofort in den Ort zum Visitor Center, um mir ein entsprechendes Ticket zu besorgen. Der Hauptstrom der Touristen kommt über das Wasser in den Ort, d.h. natürlich, mit Kreuzfahrtschiffen! Heute liegt die „Arcadia“ von P&O Cruises vor Anker, die ich ja schon in Bergen gesehen habe.

Es herrscht ein unglaubliches Gewusel, kein Wunder, wenn man sich die Anzahl der Passagiere des Kreuzfahrers vor Augen hält.

Das lässt mich nichts Gutes ahnen und tatsächlich: Ich bin schon um 9:30 Uhr am Schalter und bekomme trotzdem nur noch ein Ticket für 14:45 Uhr (für das ich übrigens sage und schreibe 440 Kronen, umgerechnet 47,45 €, zahlen muss)! Aber irgendwie hab’ ich damit ja schon gerechnet; da für diesem Tag durchgehend schönes Wetter vorhergesagt ist, macht es mir nichts aus und bietet mir sogar die Gelegenheit, mich im Ort in Ruhe umzusehen und zu fotografieren. Außerdem bleibt vor der Bahnfahrt sogar noch Zeit für ein Käffchen; ob’ hier wohl Flåmkuchen gibt…? 😉

Ein älterer Herr hat sich einen Zugbegleiter geschnappt und überreicht ihm jetzt feierlich einen kleinen Wimpel mit der chinesischen Nationalflagge. Der ist zuerst sichtlich gerührt, danach aber umso erstaunter, als er begreift, dass er nun einige Minuten seiner Zeit opfern muss, bis alle anderen fünftausenddreihundertsiebenundvierzig Mitglieder der chinesischen Reisegruppe die beiden in Ruhe fotografiert haben… 😉

Ich gehe weiter durch den Ort, um die Bucht herum, und kann dadurch noch besser auf den Fjord und auf das Schiff blicken. Die Crew führt gerade ein paar Übungen mit einem der vielen Rettungsboote durch.

Die Zugfahrt mit der Flåmbahn am Nachmittag ist sehr schön und abwechslungsreich, allerdings würde ich sie nicht unbedingt als spektakulär bezeichnen! Vielleicht liegt‘s auch daran, dass ich da eventuell etwas „verwöhnt“ bin; ähnliche Fahrten in den USA, in Australien und in Neuseeland haben mir deutlich besser gefallen. Die Ausblicke auf die norwegische Bergwelt sind zwar sehr beeindruckend, aber die habe ich auch vielfach genauso oder sogar noch besser vom Wohnmobil aus gehabt. Die vielen Tunnel sind natürlich notwendig, stören aber etwas. Die Waggons sind auch nicht etwa speziell als Aussichtswagen gebaut; es gibt keine Panoramafenster, nur jedes dritte oder vierte Fenster lässt sich überhaupt oben öffnen, um Fotos ohne nervige Spiegelungen machen zu können. Und wer nicht gerade einen Fensterplatz erwischt hat, bekommt ohnehin schon ‘mal deutlich weniger zu sehen…

Schön finde ich, dass der Zug am Kjosfossen, einem 93 Meter hohen und besonders spektakulären Wasserfall, für ein paar Minuten hält, was einem die Gelegenheit gibt, kurz auszusteigen, zu fotografieren und sich dabei eine kostenlose Dusche abzuholen. Oben zwischen den Felsen, vor einer alten Ruine, tanzt eine junge, blonde Frau mit knallrotem Kleid zu einer eindringlichen Musik, um nach ein paar Sekunden plötzlich zu verschwinden und sofort ganz woanders wieder aufzutauchen; wenn das ‘mal nicht zwei Mädels sind… 😉

In Myrdal selbst gibt‘s nicht besonders viel zu sehen. Je nachdem, ob man mit demselben Zug wieder zurückfahren möchte, auf den nächsten wartet oder sogar zu Fuß oder per Fahrrad wieder ‘runter nach Flåm geht bzw. fährt, ist der Aufenthalt dort natürlich unterschiedlich lang. Da es schon später Nachmittag ist, entscheide ich, gleich wieder zurückzufahren und habe daher ungefähr 10 Minuten Zeit, mir die Station anzuschauen.

Nun kommt mir die Erkenntnis, dass sich hier, in einem winzigen norwegischen Nest in den Bergen, Hunderte Menschen aus aller Herren Länder herumtollen (oder „herumtrollen“?) und dass diese Tatsache womöglich deutlich spannender ist, als die Zugfahrt selbst… 😉

Die Rückfahrt verläuft ähnlich wie die Hinfahrt, wird allerdings nun zusätzlich durch die fast durchgängigen Quietschgeräusche der Bremsen „untermalt“; auch jetzt wird wieder am Wasserfall gehalten. Hier erwische einen Moment (leider nicht per Foto!), wo die beiden Huldras, das sind vorhin beschriebenen Bergfeen, für einen Bruchteil einer Sekunde nicht richtig aufgepasst haben und beide gleichzeitig zu sehen sind; na also… 😉

Eigentlich würde ich heute Abend gern das EM-Fussballspiel Deutschland – Ukraine sehen, aber darauf muss ich leider verzichten; die riesigen Berge rings um Flåm machen jeden Versuch meiner SAT-Schüssel, einen Satelliten zu finden, sofort zunichte…

3 thoughts on “Einsteigen bitte…”

  1. Wir haben die Bahnfahrt auch gemacht. Wir sind allerdings von Voss aus schon mit der Bergen-Bahn gefahren und dann in Myrdal in die Flamsbahn umgestiegen. Besonders beeindruckt hat mich dann die Ankunft in Flam – das hatten wir ja vorher noch nicht gesehen. Zurück sind wir dann mit dem Bus über das Stahlheim Hotel die steile Stalheimskleiva hinunter vorbei am Tvinde-Fossen nach Bergen gefahren. Insgesamt waren wir beeindruckt.
    Die Tänzerinnen fanden wir auch etwas albern – aber scheinbar gehören sie dazu 🙂

    1. Danke, Anja! Im Nachhinein bin ich aber doch sehr froh, die Zugfahrt gemacht zu haben! Schön war sie ja auf jeden Fall, und vor allem habe ich jetzt nicht das Gefühl, irgendwas Spektakuläres trotz guter Gelegenheit verpasst zu haben, wenn ich darauf verzichtet hätte… 😉

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