Der erste Blick nach dem Aufwachen heute morgen gilt natürlich wieder ‘mal dem Wetter: Immer noch bedeckt, aber wenigstens kein Regen…

Nach dem Frühstück fahre ich nach Henningsvær, einem kleinen Fischerdorf, das oftmals auch als „Venedig des Nordens“ bezeichnet wird. Es liegt nur etwa 24 Kilometer von Svolvær entfernt, dem Ort, an dem vorgestern meine Fähre vom Festland anlegte.

Nun, dass man sich nicht in Venedig befindet, merkt man allein schon am Wetter, aber auch sonst finde ich diese Bezeichnung doch sehr weit hergeholt! Der Ort liegt auf zwei länglichen, vorgelagerten Inseln, die parallel zueinander verlaufen, der Bereich dazwischen bildet praktisch den Hafen des Orts. Was mich daran aber an Venedig erinnern soll, bleibt mir während meines Besuchs vollständig verborgen; auch den kanalartigen Sund kann man beim besten Willen nicht mit dem Canal Grande der berühmten Lagunenstadt vergleichen…

Trotzdem ist der Ort, der ein beliebtes Touristenziel auf den Lofoten ist, natürlich hübsch anzusehen, selbst bei diesem grauen Himmel. Nachdem man zwei einspurige Brücken, deren Überquerung durch Ampelbetrieb geregelt wird, passiert hat, gelangt man auf einen geräumigen Parkplatz, auf dem man mit dem WoMo auch übernachten könnte. Von dort aus geht‘s zu Fuß durch den interessanten Ort.

Hier gibt‘s unzählige Fotomotive und der Ort ist noch ziemlich leert. Ab und zu kommt ein Kleinbus, „spuckt“ ein paar Touristen aus, die sofort die Andenkenläden ins Visier nehmen, und ein paar Minuten später ist er schon wieder verschwunden.

Ich schlendere durch den Ort, fotografiere viel und merke, dass sich mein Magen erstaunlicherweise mehr für die vielen Restaurants und die einladend gestalteten Speisekarten interessiert als für die urigen Hafenanlagen mit ihren alten Holzbohlen. Hab’ ich etwa nicht genug gefrühstückt? Ich rufe mich zur Ordnung, denn für‘s Mittagessen ist es ja noch viel zu früh! Nach dem Spaziergang kaufe ich noch einen Magneten und einen hübschen Seeigel als Souvenir, kehre zum WoMo zurück, bekämpfe den „kleinen Hunger“ grimmig entschlossen mit einer viel zu reifen Banane und mache mich dann zu meinem nächsten Ziel auf.

Wieder zurück von meinem Abstecher nach Henningsvær, erreiche ich nach ein paar Minuten einmal mehr eine ziemlich imposante, weit geschwungene Brücke, die mich von den Austvågøya nach Gimsøy bringt, zwei der acht größeren Inseln der Lofoten.

Am Ende der Brücke biege ich von der E10 ab, fahre an der Ostküste von Gimsøy etwa sieben Kilometer nach Norden und besuche dort, direkt am Wasser, eine hübsche, weiße Kirche, auf deren Friedhof man uralte gusseiserne Grabplatten entdecken kann; die Kirche selbst wird auf einer Seite durch Stahlstangen gesichert, die sie vor starken Seitenwinden schützen sollen.

Auf der Westseite der Insel geht es wieder zurück zur E10, danach sofort über die nächste Brücke nach Vestvågøy, die bevölkerungsreichste Lofoteninsel. Das Wetter bessert sich ein wenig, und ich sehe in Richtung Norden, also wohl schon über dem Meer, doch tatsächlich ein paar blaue Lücken im Wolkenhimmel, die vielversprechend aussehen. Ich entschließe mich, einen der vielen in meinem Reiseführer aufgeführten Picknickplätze aufzusuchen, von denen aus man, gutes Wetter vorausgesetzt, angeblich die Mitternachtssonne sehen können soll. Vielleicht habe ich ja Glück…

Ich fahre also zum kleinen Dörfchen Uttakleiv und staune, als ich um kurz vor 16:00 Uhr einen der schönsten Strände der Lofoten sehe! Tiefblaues Meer, feiner, weißer Sandstrand, eine grandiose Bergkulisse drumherum und ein super schön angelegter Picknickplatz überzeugen mich in Sekundenschnelle, hier zu bleiben und auch zu übernachten, egal, wie das Wetter wird! Ich werfe 150 Kronen in eine kleine Holzbox und fahre dann hinauf zum etwas höher gelegenen Picknickplatz. Dort stehen zwar schon einige Wohnmobile und PKW, aber es gibt noch reichlich Platz für „Hannelore“ und ich suche mir eine Stelle direkt an der Kante zur Picknickwiese und zum Strand aus; von hier aus habe ich einen herrlichen Blick auf das Meer, aber auch auf alles andere „unter mir“…

Jetzt gibt‘s Kaffee und Kuchen und ich freue mich, dass das Wetter tatsächlich immer besser wird. Na also, geht doch! Ich mache einen ausgiebigen Strandspaziergang und genieße die Atmosphäre.

Weil ich um Mitternacht und auch danach natürlich wach sein möchte, genehmige ich mir später ein kleines Schläfchen und erschrecke, als ich aufwache und feststelle, dass in der Zwischenzeit jemand die Sonne „verbummelt“ hat; ein langes Wolkenband zieht vom Land in Richtung Meer und verdeckt bereits ein wenig die Sonne! Na klasse!

Aber ich habe heute wirklich Glück; je weiter die Wolken Richtung Sonne wandern, desto dünner (und wohl auch langsamer) werden sie und schließlich sind sie fast ganz verschwunden; um Mitternacht erlebe ich tatsächlich wieder einmal einen Höhepunkt meiner Skandinavienreise und erfülle mir damit einen uralten Wunsch! Auch Bart, mein ständiger Reisebegleiter, schält sich aus seiner kleinen Hütte (dem Getränkehalter am Armaturenbrett) und will sich das schöne Spektakel natürlich nicht entgehen lassen; sein ewig gleicher Gesichtsausdruck, erstaunte Augen und ein leichtes Grinsen, machen endlich ‘mal richtig Sinn… 😉

Um diese Zeit herrscht noch ‘ne Menge Betrieb hier auf dem Platz; die Leute sitzen vor ihren Zelten oder an einem der vielen Picknicktische, entzünden kleine Lagerfeuer und genießen das tolle Wetter und die noch ziemlich hoch stehende Sonne.

Später machen sich einige zu einer Paddeltour auf, andere besteigen die umliegenden Berge, um einen noch tolleren Blick auf die Szenerie werfen zu können. Kurz vor 01:00 Uhr erreicht die Sonne ihren tiefsten Stand; ich mache noch einige Fotos und gehe etwa eine Stunde später zufrieden zu Bett…

Ein Kommentar zu “Endlich Mitternachtssonne”

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