Wie schon erwartet, hab’ ich für die Anfahrt hierher, an die französische Ärmelkanalküste, etwa anderthalb Tage gebraucht.

Die gestrige Strecke führte, abgesehen von einem kleinen Tankstopp in Oberhausen, ausschließlich über Autobahnen. Ohne besondere Ereignisse und glücklicherweise auch ohne irgendwelche nervigen Verkehrsstaus fuhr ich gegen Abend in Holland auf einen riesigen P+R-Parkplatz am Stadtrand von Eindhoven, der im hinteren Bereich Platz für maximal 10 Wohnmobile bot; nur zwei davon waren belegt, als ich ankam. Für die absolut ruhige und problemlose Übernachtung musste ich gerade ‘mal drei Euro berappen; so kann es von mir aus ruhig weitergehen… 😉

Wie gestern, so schien auch heute den ganzen Tag die Sonne, die Temperaturen kletterten teilweise sogar fast bis auf 30 Grad! Die heutige Fahrt führte zunächst durch Belgien und später, kurz hinter der Grenze zu Frankreich, durch Lille hindurch, wo man eine ganze Weile leider nur im Schneckentempo voran kam. Später, nördlich von Arras, wechselte die grobe Richtung von Südwest auf West und noch später wieder zurück, bis ich gegen 13:30 Uhr schließlich Le Tréport, mein heutiges Ziel, erreichte.

Ich freute mich über die absolut problemlose Anfahrt und war froh, hier so zeitig eintreffen zu können. Ich war überhaupt nicht müde, sondern wollte heute unbedingt noch die Stadt erkunden; das Wetter war nach wie vor perfekt! Oben auf der Steilküste war es zwar ein bisschen windig, aber so gehört sich das ja auch am Meer. Es war trotzdem noch recht warm.

Auf den Stellplatz Aire de Services Camping-cars du Funiculaire, den ich mir vorher ausgesucht hatte, war ich ganz besonders gespannt, denn er liegt, etwas außerhalb der Stadt und nur durch eine kleine Straße und einen Grünstreifen vom „Abgrund“ entfernt, hoch oben auf der imposanten Steilküste!

Aufgrund der noch relativ frühen Tageszeit hatte ich überhaupt keine Probleme, eine freie Parzelle zu finden. Während ich schon mit einigen Vorbereitungen für meine Erkundungstour beschäftigt war, stellte ich allerdings fest, dass die gewählte Position doch nicht ganz so günstig war, denn der vorhin schon erwähnte kräftige Wind schlug mir zwei- oder dreimal die Aufbautür derartig heftig zu, dass ich dachte, mir platzt das Trommelfell! Also schnell noch einmal umgeparkt (selber Stellplatz, aber andere Richtung), dann war „Ruhe im Karton“ und es konnte losgehen…

Dieses Mal ließ ich das Fahrrad im Stall, ähmm… in der Heckgarage, denn ich wollte die Steilküste entlang bis zur Stadt wandern und danach hinunter an den Strand und zum Hafen!

Vorher gab‘s aber noch eine Kleinigkeit zu erledigen: Da man hier im voraus bezahlen muss, brauchte ich noch ein Ticket aus dem Automaten, das ich dann im WoMo sichtbar zu hinterlegen hatte.

Der Automat war das wohl Fremdartigste, was mir bisher an Automaten untergekommen war; ich bedaure zutiefst, dass ich kein Foto gemacht habe! Eine Unzahl von kleinen und großen Instruktionsschildchen, Knöpfchen, Lämpchen, Ein- und Ausgabeschächten und Displays blickten mir derart feindselig entgegen, als wollten sie mich zwingen, schon vor dem allerersten Handgriff die Segel zu streichen! Aber nicht mit mir! Also fing ich an, alles in Ruhe zu studieren und mir in Gedanken ein professionelles Ablaufdiagramm zu erarbeiten; bin schließlich Informatiker, jawoll!

Sämtliche Anweisungen gab‘s natürlich nur in Französisch; nicht eine Spur eines englischen Wortes, von deutschen ganz zu schweigen! Mein erster Versuch ging prompt „in die Hose“, weil der arglistige Kasten meine Lieblingskreditkarte offenbar nicht akzeptieren wollte. Dies ist für Deutsche in Frankreich allerdings durchaus normal, und das war mir auch schon im Vorfeld durch das Studium vieler Reiseberichte bekannt. Aber ich hatte ja nicht nur einen Plan B, sondern, wie es sich für Menschen meiner Art gehört, auch noch C, D und E; drei Kreditkarten und zwei EC-Karten sollten ja wohl reichen, diese wählerische Blechbüchse zufrieden zu stellen.

Unglücklicherweise passierte jetzt genau das, was man sich bei einem spontanen Knopfstudium mit abschließendem Diplom in Automatenkunde nicht wünscht: es kam ein älteres Ehepaar, das ebenfalls ein Ticket benötigte, natürlich Franzosen, und die warteten nun hinter mir und sahen mir zuerst gleichgültig, dann aber doch immer neugieriger zu; ich hatte sogar das Gefühl, etwas Schadenfreude, gepaart mit einer Portion Ungeduld, auszumachen, aber das habe ich mir hoffentlich nur eingebildet…

Ich machte den beiden mit Händen und Füßen klar, dass meine Kreditkarte nicht funktionierte und dass ich ihnen aber gern den Vortritt lassen würde. Madame überschüttete mich daraufhin ansatzlos mit einem kaum enden wollenden Schwall von Französisch, den ich natürlich hilflos über mich ergehen lassen musste. Kurz bevor ihr Erstickungstod eintrat, weil sie nun ‘mal keine Zeit hatte, Luft zu holen, und eben sagen musste, was zu sagen war, nutzte ich mutig die Gunst der Sekunde(!), sie zu unterbrechen, und sagte in feinstem Schulfranzösisch, dass ich Deutscher sei und leider kein Französisch sprechen würde! Monsieur verstand mich sofort, das sah ich an seinem Gesichtsausdruck. Madame aber, ganz nach dem Motto, was nicht sein darf, kann auch nicht sein, tat so, als wäre meine Einlassung irgendein lästiges Insekt, und fing sofort wieder an, auf mich einzureden; sie glaubte offenbar, dass sie einfach nur laut und deutlich genug sprechen müsste, um meinem verschütteten Französisch wieder auf die Beine zu helfen! Ich wiederholte meinen Satz bestimmt noch zwei- oder dreimal, bis sie dann doch endlich Ruhe gab und mich entgeistert ansah: Ein Mensch, der kein Französisch sprach! Das passte offenbar überhaupt nicht in ihre Gedankenwelt! Monsieur warf mir freundlicherweise entschuldigende und ihr dagegen mehr und minder mitleidige Blicke zu, hinter ihrem Rücken allerdings… 😉

Irgendwann hatten die beiden aber ihr Ticket gezogen (auch sie standen zuerst etwas ratlos vor dem Automaten) und ich konnte das letzte Semester meines unterbrochenes Hauptstudiums endlich abschließen; meine überaus reichhaltige Geldkartensammlung überzeugte dann doch endlich und ich rannte triumphierend, mit dem begehrten Ticket in der Hand, zurück zum WoMo!

Zurückblickend auf diese Aktion muss ich übrigens feststellen, dass mein Französisch anscheinend doch nicht ganz so eingerostet ist, wie ich anfangs befürchtet hatte; ich konnte das Wichtigste tatsächlich ohne große Mühe lesen, und Wörter, die mir nicht bekannt waren, konnte ich mir meistens aus dem Kontext zusammenreimen! Das war schon ‘mal eine gute Erfahrung, denn Instruktionen, Verkehrs- und Hinweisschilder, Speisekarten usw. lesen zu können, ist schon ‘mal die „halbe Miete“ auf einer solchen Reise, finde ich!

Ich ging also über die Straße, dann noch ein kleines Stückchen bis zur Kante der Steilküste und sah nun endlich das etwas aufgewühlte, in allen Blautönen leuchtende Meer, das ich bei meiner Fahrt durch die Stadt und während der Auffahrt auf die Steilküste nur ein- oder zweimal ganz kurz aus den Augenwinkeln erblicken durfte!

Was für ein herrlicher Anblick! Genau in diesem Moment fing für mich diese Reise erneut an; ich bin immer wieder erstaunt darüber, was einem ein Blick auf das Meer geben kann. Jetzt freute ich mich doppelt auf den vor mir liegenden Spaziergang!

Ich wandte mich nach rechts, in Richtung Norden, und sah wenige Minuten später auf den Stand und die Stadt hinunter, genauer gesagt, auf die Altstadt von Le Tréport. Das Foto zeigt sehr schön, wie sich die Stadt an der Mündung des kleinen Flüsschens Bresle in dem von ihm einst geformten Einschnitt ausgebreitet hat; im Hintergrund geht‘s wieder „hoch hinauf“ auf die Kreideküste, mit etwa 110 Metern die höchste Steilküste Europas! Die Küste hier wird auch Alabasterküste genannt, und sie erstreckt sich über 140 km von der Somme- bis zur Seine-Mündung bei Le Havre.

Geht man noch ein Stück weiter, gelangt man zu einer groß angelegten Aussichtsterrasse, von der aus man einen noch schöneren Blick auf die Stadt werfen kann. Von hier führt der Schrägaufzug nach unten in die Stadt, und es gibt hier oben außerdem noch einige Shops, eine Ausstellung und eine Brasserie.

Nachdem ich ausgiebig fotografiert hatte, fuhr ich mit der Funiculaire du Tréport, dem bereits erwähnten Schrägaufzug, nach unten in die Stadt; dabei handelt es sich um insgesamt vier Kabinen auf zwei ehemaligen Trassen der 1908 gebauten Standseilbahn, die durch einen Tunnel quer durch die Kreidefelsen führte.

Ich kam unten in der Altstadt an und ging von dort aus zunächst einmal an den Strand, der hier nicht etwa aus Sand, sondern aus lauter kleinen Steinen bestand, die bei jeder an Land gespülten Welle einen ziemlichen Lärm verursachten.

Der Stand endet südlich der Flussmündung an einem sehr fotogenen, 1844 erbauten Leuchtturm, auf dessen Zugang sich offenbar mehr Angler tummelten als Fische unter ihnen; ich sah nämlich in keinem der mitgebrachten Eimer oder Kisten auch nur einen einzigen „müden“ Fisch zappeln…

Von hier unten wirkte die Steilküste auf der nördlichen Seite der Flussmündung noch etwas imposanter als von der Hochebene aus; durch die hohe Brennweite des folgenden Fotos kann man hier sogar schon den nächsten größeren Ort Ault erkennen, der etwa sechs Kilometer entfernt ist und schon nicht mehr zur Normandie, sondern zur Picardie gehört.

Jetzt besuchte ich die Markthalle direkt im Hafengebiet, bei der sich naturgemäß alles um Fisch dreht. Hier schlugen mir wahrhaft unbeschreibliche Gerüche entgegen, die aber wohl für die Tréportais, so nennen sich die Einwohnender der Stadt selbst, alles andere als ungewöhnlich waren; hier gab‘s unendlich viele Arten von Fisch und sonstigem Meeresgetier zu bestaunen, von denen mir die allermeisten völlig unbekannt vorkamen.

Die Austern waren mit 12 Euro für das Dutzend gar nicht ‘mal teuer…

Ich wanderte nun in Richtung Stadt, an den Hafenanlagen entlang. Obwohl wochentags, ging es hier sehr lebhaft zu; die Restaurants und Cafés waren sehr gut besucht. Über der Stadt thronte die Kirche Saint-Jacques, deren Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen.

Schließlich dachte ich irgendwann an den Rückmarsch und wandte mich daher in Richtung Altstadt, die ich vorhin, als ich mit dem Schrägaufzug unten ankam, etwas vernachlässigt hatte. Hier gefiel es mir ebenfalls sehr gut, alles sah irgendwie nett und herausgeputzt aus, aber keineswegs künstlich oder gar kitschig. Viele Details, z.B. Straßenschilder oder hübsche Blumenarrangements, fielen positiv auf.

Zu guter Letzt fuhr ich wieder mit dem Aufzug nach oben (ein Aufstieg zu Fuß war mir um diese Uhrzeit und bei diesen Temperaturen einfach zu anstrengend) und kehrte zum Wohnmobil zurück. Ich machte mir einen Cappuccino, aß dazu ein paar Kekse und gönnte mir dann ein winziges Nachmittagsschläfchen; immerhin hatte ich bisher schon ein recht anstrengenden Tag und war am Morgen ja sogar noch in Holland! Gegen Abend machte ich dann einen zweiten, allerdings eher kurzen Spaziergang an der Steilküste entlang und konnte der direkt über dem Meer untergehenden Sonne zusehen…

Ein wirklich schöner und abwechslungsreicher Tag ging zu Ende; ich hatte durchgehend schönes Wetter gehabt und konnte mich über wirklich nichts beklagen! Einen besseren Auftakt für diese Reise konnte ich mir kaum vorstellen. Morgen bleibe ich zunächst noch in dieser Gegend, um mein Fahrrad ‘mal ganz vorsichtig mit der normannischen Steilküste bekannt zu machen… 😉

2 thoughts on “Hilfe, die sprechen französisch…”

  1. Hi Wolfgang,

    bei der Schilderung Deiner Versuche einer Französischkonversation unter Verweigerung jeglichen Entgegenkommens der Gesprächspartner fühle ich mich an Erfahrungen erinnert, die Maren und ich vor Jahren bei einer eintägigen Durchfahrt Richtung Nordspanien in Frankreich hatten ;-). Mag sein, daß da auch die Bestätigung eigener Vorurteile 'ne Rolle spielte, denn auch bei mir (Generationenfrage?) besteht ein innerer Vorhalt gegen die 'Grande Nation' schon seit Schulzeiten, in denen ich mich auch mit deren fürchterlich exaltierter Sprache herumschlagen mußte. Den 'Klang' des Französischen kann ich bis heute nicht 'verknusen' und hat mich trotz der zugegebenermaßen großen Landschaftsschönheiten bisher vom Besuch abgehalten. Und da es ja genug Alternativen gibt…
    Trotzdem ein interessanter Bericht!

    Bernd

  2. Hi Bernd, ich glaube auch, dass ist wohl irgendwie eine Generationenfrage. Nachdem ich jetzt schon längst wieder zurück bin, kann ich aber sagen, dass ausnahmslos ALLE Franzosen, denen ich auf dieser Reise begegnet bin, überaus freundlich, sympathisch und vor allem hilfsbereit waren; einen so herzlichen Empfang hatte ich bisher in keinem anderen Land erlebt…
    Gruß Wolfgang

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