Das Kap Kolka, mein heutiges Tagesziel, ist ein markantes Kap an der Küste Lettlands, wo man den Zusammenfluss der Strömungen zweier Meere beobachten und auch direkt spüren kann, nämlich der Ostsee und der Rigaer Bucht. Es liegt im Slītere Nationalpark, etwa 80 km nordöstlich von Ventspils entfernt.

Die Straße dorthin führt durch noch viel einsamere Gegenden als schon bisher, hier bin ich meistens völlig allein! Nur ganz selten kommt mir ein Fahrzeug entgegen. Ich fahre durch dichten Wald, und außer Bäumen und Strommasten gibt‘s hier so gut wie nichts zu sehen. Das nahe Meer auf der linken Seite ist nicht ‘mal zu erahnen, und deshalb nutze ich zwei der wenigen Abzweigungen, um an das Meer zu kommen.

Die erste führt mich zum Leuchtturm von Oviši, den man bestiegen kann. Der Turm ist 30 m hoch und wurde schon 1814 gebaut; er ist auch heute noch unverändert in Betrieb. Ein paar Schritte vom Waldweg entfernt liegt eine eingezäunte Anlage, hauptsächlich aus dem Turm und, etwas abseits davon gelegen, einem offenbar bewohnten Gebäude bestehend. Im Gebäude soll sich das Büro befinden, in dem man sich anmelden und ein kleines Eintrittsgeld bezahlen muss. Dort ist allerdings niemand anzutreffen, die Tür ist verschlossen.

Ich gehe also zum Leuchtturm und gerade, als ich den Eingang erreiche, kommen dort drei Personen heraus, eine Angestellte, die hier offenbar die Verwaltung macht, und ein älteres Paar, mit dem sie gerade eine kleine Führung auf den Turm beendet hat.

Sie erklärt mir in etwas gebrochenem Englisch, aber extrem ausführlich und sehr energisch, dass ich allein hinaufsteigen solle, und was ich dabei alles beachten müsse, danach würde sie mich dann in ihrem Büro erwarten! Jawoll, mach’ ich…

Ich klettere also los, zuerst auf steinernen Stufen, später auf schmalen Metallleitern; nach oben hin wird‘s schon ziemlich eng. Im Bereich der Leuchtfeueroptik steht ein laut klappernder Heizlüfter, der den kleinen Raum kuschelig warm hält. Jetzt gehe ich durch die kleine Tür, besser gesagt, durch eine Art Klappe, nach draußen auf das rundum laufende Geländer, wo mich ein eisiger und schneidender Wind erwartet. Der Blick von dort oben ist sehr schön, sowohl auf die ganze Anlage unter mir als auch auf die endlos erscheinende Waldlandschaft, vor allem aber natürlich auf den Strand und die Ostsee.

Nach ein paar Fotos klettere ich, bevor mir dort noch etwas abfriert, wieder nach unten und suche das Büro der Lady auf; dieses Mal ist die Eingangstür geöffnet und in dem kleinen Museum, das hier untergebracht ist, befindet sich gerade eine etwa zehnköpfige Gruppe von Touristen, denen meine „Leuchtturmwärterin“ etwas erzählt. Sie sieht mich aus den Augenwinkeln, entschuldigt sich kurz bei der Gruppe und bittet mich in ihr Büro, was eigentlich mehr wie eine schäbige Abstellkammer aussieht, damit ich meinen „Obolus“ zahlen konnte.

Ich mache mich auf einen Betrag von 2 oder 3 Euro gefasst und bin umso überraschter, als ich nur 65 Cents zahlen sollte! Ich gebe einen Euro und mache ihr klar, dass ich kein Wechselgeld möchte, aber mit diesem Vorhaben komme ich bei ihr nicht durch! Sie wirft mir einen Blick zu, als hätte ich ihr ein unsittliches Angebot gemacht, kramt dann etwas hektisch in einer kleinen Blechdose herum und läuft mir sogar noch hinterher, um mir die stattliche Summe von 35 Cents zu überreichen; offensichtlich muss hier aber auch wirklich alles seine Ordnung haben… 😉

Nach dieser kleinen und „erfrischenden“ Abwechslung fahre ich zurück auf die Durchgangsstraße, weiter nach Nordosten und später auf einer recht gut zu befahrenden Schotterstraße zum nächsten Zwischenstopp, einem kleinen Picknickparkplatz direkt am Meer, auf dem ich – natürlich – wieder ‘mal ganz allein bin.

Hier mache ich mir etwas zu essen, danach gehe ich zum Strand, um ein paar Fotos zu machen. Es ist wunderschön hier, die Sonnen scheint und hier herrscht ein womöglich noch stärkerer Wind als oben auf dem Leuchtturm; der Wellengang ist entsprechend…

Kurze Zeit später fahre ich wieder zurück auf die Landstraße und schließlich den gesamten Rest bis zum Kap Kolka. Ich weiß aus meinen Reisevorbereitungen, dass dort ein großer Parkplatz existiert, auf dem man mit dem Wohnmobil auch übernachten darf. Hier ist man dann tatsächlich nur noch ein paar wenige Schritte vom eigentlich Kap entfernt.

Wie man auf dem folgenden Foto sieht, habe ich wieder ‘mal große Mühe, mich mit meinen WoMo irgendwo reinzuquetschen… ;-)))

Linker Hand (auf dem Foto nicht zu sehen) steht ein kleines Gebäude, dass gleichermaßen Besucherzentrum, Café, Kiosk, Souvenirladen und Parkplatzkasse ist; eine junge Frau verlangt von mir 3 Euro für die Übernachtung und schaut mich ein wenig verständnislos an, als ich frage, bis wann ich denn wohl morgen diesen Parkplatz verlassen haben müsste. Ok, sie ist eben keine „Leuchtturmwärterin“… 😉

Die Metallplatte auf dem nächsten Foto verdeutlicht dem Besucher, dass er sich hier gerade in der exakten Mitte Europas befindet! Hmm, das habe ich von anderen Orten auch schon gelesen…

Jetzt mache ich mich für eine ausgedehnte Wanderung am Kap bereit; hier auf dem Parkplatz ist es einigermaßen windstill, aber die permanent hörbaren „Heulgeräusche“ aus der Ferne lassen schon erahnen, was da am Strand wohl los sein könnte! Also, dicke Jacke an, Mütze, Schal, Kameraausrüstung, und los geht‘s…

Nach ein paar Schritten durch den Wald, der immer lichter wird und wo jetzt schon der Wind „durchpfeift“, erreiche den Strand, und es haut mich fast von den Füßen, so windig ist es hier! Das ist wohl schon ein ausgewachsener Sturm, der hier gerade wütet; die Fotos geben dies natürlich nicht ‘mal ansatzweise wieder. Überhaupt habe ich ziemliche Bedenken, meine Kamera aus der Fototasche zu nehmen und zu fotografieren; feiner Sand ist der Feind aller Objektive! Mach‘s aber trotzdem, muss ich riskieren!

Das folgende Foto zeigt Reste eines alten Leuchtturms, der früher einmal hier stand, der aber dem ständigen Tosen des Meeres nicht standhielt; stattdessen hat man deshalb eine künstliche Insel mit Leuchtturm gebaut, die etwa 6 km vom Stand entfernt mitten im Meer liegt, und die man von hier aus auch noch erkennen kann.

Auf der östlichen Seite des Kaps schaut‘s aus wie nach einem Hurrikan; überall umgestürzte Bäume und Äste, ein einziges Chaos! Sieht richtig gespenstisch aus. Durch das ständige Aufeinandertreffen der Strömungen beider Meere wird den Bäumen sprichwörtlich der Boden unter den Füßen… ähm… Wurzeln weggezogen.

Dieses Spiel der Gewalten lässt manchmal auch recht lustige Zufallsprodukte entstehen, wie z.B. dieses Gebilde, das ich ganz spontan auf den Namen „Die Wurzelziege vom Kap Kolka“ taufe!

Am Ende meines Strandspaziergangs entdecke ich noch diesen zur Sauna umgebauten LKW, der im Sommer immer sehr gut besucht sein soll.

Nachdem mein Gesicht irgendwann völlig abgeschliffen ist und ich den Sand zwischen den Zähnen unbedingt wieder loswerden möchte, kehre ich wieder zum Parkplatz und zum Wohnmobil zurück und leite den verdienten Feierabend erst ‘mal mit einem „anständigen“ Bier ein; ich hab’ hier sogar Satellitenempfang, sodass ich nach dem Abendessen eventuell noch ein wenig fernsehen werde, bevor ich schlafen gehe…

Ein Kommentar zu “Sturm am Kap Kolka”

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