Ich bin in Schweden!

Das hatte ich gestern Abend bei meiner Ankunft in Trelleborg noch gar nicht so richtig realisiert! Ich konnte es kaum erwarten, meine Rundreise durch den südlichen Teil dieses riesigen Lands endlich zu beginnen.

Ich war ziemlich perplex, als ich nach dem Aufstehen um 7 Uhr aus dem Fenster sah: Gestern Abend standen hier fast 100 Wohnmobile, nun waren es höchstens nur noch fünf oder sechs! Von diesem „Massen-Exodus“, der wahrscheinlich mit einer frühen Fährabfahrt nach Rostock oder nach Travemünde zusammenhing, hatte ich absolut nichts mitbekommen!

Ich frühstückte in Ruhe, nutzte danach gleich vor Ort die Gelegenheit, die Chemie-Toilette zu entleeren und brach dann zu meinem allerersten touristischen Ziel in Schweden auf. Heute wollte ich mir Malmö anschauen, nach Stockholm und Göteborg die drittgrößte Stadt des Landes.

Bevor es aber in die Stadt ging, steuerte ich etwas südlich davon einen Parkplatz an, von dem aus man einen tollen Blick auf die berühmte Öresundbrücke haben sollte. Er liegt neben dem ehemaligen Terminal der Fähre, die bis zur Eröffnung der Brücke im Juli 2000 die Küsten Dänemarks und Schwedens miteinander verband.

Tatsächlich, die Sicht auf das fast 8 km lange Bauwerk war von hier aus perfekt! Ich erinnerte mich sofort an die Rückfahrt von meiner Nordkap-Reise 2016, als ich über diese Brücke nach Dänemark fuhr und am gleichen Tag Kopenhagen besuchte.

Die Pylone sind stolze 206 m hoch, die lichte Höhe beträgt 57 m. Interessant finde ich den offiziellen Namen der Brücke: Øresundbron! Dabei handelt es sich um einen Mix aus dänischer und schwedischer Schreibweise. Øresund ist nämlich dänisch; schwedisch heißt es Öresund. Dagegen ist Bron (für Brücke) schwedisch, dänisch wäre es Broen! Eine schöne Idee, finde ich…

Danach fuhr ich in die Stadt und steuerte einen Parkplatz direkt neben der Burganlage Malmöhus an. Da ich immer noch kein schwedisches Bargeld besaß (das wollte ich hier in der Stadt nachholen), wollte ich die Parkgebühr, die im Voraus zu entrichten war, bargeldlos zahlen. Wieder einmal stand ich plötzlich vor einem Automaten, der offenbar genau wissen wollte, wie viele Kredit- oder Geldkarten ich denn wohl so bei mir hätte! Mein Déjà-vu war perfekt; sofort dachte ich an eine haargenau gleiche Situation auf einem Wohnmobilstellplatz in Le Tréport in der Normandie! Erst bei der vierten(!) Kreditkarte klappte es endlich; für 4 Stunden waren umgerechnet ca. 7,60 EUR zu zahlen!

Das Malmöhus mit dem darin befindlichen Schlosskomplex und dem Schlossgarten ist das älteste nordische Schloss im Renaissance-Stil. Im Gebäude befinden sich heute das Kunstmuseum und das städtische Museum; es sieht allerdings alles andere als spektakulär aus, eigentlich auch gar nicht wie ein Schloss, wie man auf dem Foto sieht. Daher hielt ich mich hier auch nicht besonders lange auf und fuhr weiter mit den Fahrrad in Richtung Hauptbahnhof.

Dort traf ich auf das wohl bekannteste Kunstwerk des schwedischen Malers und Bildhauers Carl Fredrik Reuterswärd, der Skulptur eines Revolvers mit verknotetem Lauf. Sie trägt den Namen Non Violence oder auch The Knotted Gun. Die Bronze-Skulptur, zu deren Schaffung der Künstler durch den Tod seines Freundes John Lennon inspiriert wurde, steht weltweit an 16 Orten. Die drei ersten Versionen sind vor dem UN-Hauptquartier in New York, in Luxemburg und hier zu bewundern, weitere Exemplare stehen zum Beispiel in Berlin, Caen, Göteborg, Marl und Stockholm.

Malmö wirkte auf mich wie eine moderne, offene Stadt mit teilweise sehr modernen Bauwerken und andererseits gut erhaltenen Fachwerkhäusern in der Altstadt.

Weiter ging es zum großen Marktplatz der Stadt, zum Stortorget mit der Reiterstatue von König Karl X. Gustav (auf dem Foto ist leider nur der Sockel zu sehen, rechts vom grünen Transporter).

Dort befinden sich auch die über 100 Jahre alte Lejonet-Apotheke sowie das Rathaus der Stadt.

Nicht weit vom großen Markt entfernt liegt der Lilla Torg (der Kleine Markt), der 1591 entstand und der seinen ganz eigenen Charme verbreitet.

Hier lohnte ein Blick in den Innenhof des Hedmanska Gården, einem umgebauten Hof mit hübschem Fachwerk.

Nach der Besichtigung der Altstadt und der Fußgängerzonen fuhr ich weiter nach Westen, dann um den Schlosspark herum wieder nach Norden und schließlich in Richtung Meer und Strand und durch einen hübschen Park.

Von dort aus hat man einen schönen Blick auf Malmös neues In-Viertel Malmö Live und das Wahrzeichen der Stadt, dem sogenannten Turning Torso.

Atemberaubend schraubt sich der Turm in die Höhe; die Fassade ist ganz oben um genau 90° verdreht! Mit einer Höhe von 190 Metern und 54 Etagen ist das 2005 eingeweihte Gebäude der höchste Wolkenkratzer Skandinaviens und das dritthöchste Wohngebäude Europas.

Gegen Mittag setzte ich meine Fahrt mit dem Wohnmobil in Richtung Norden fort. An der engsten Stelle des Öresunds, wo zahlreiche Fähren rund um die Uhr im Viertelstundentakt die Ufer wechseln, liegt auf der schwedischen Seite die Stadt Helsingborg, die vermutlich von den meisten Reisenden nur als Durchgangsstation genutzt wird. Hier wollte ich mich auch ein wenig umschauen, allerdings zu Fuß anstatt mit dem Fahrrad.

Der in meinem Reiseführer empfohlene Parkplatz erwies sich als totaler Reinfall; hier konnten höchstens Wohnmobile der Marken Revell, Matchbox oder SIKU parken (für jüngere Leser: das sind Firmen, die Spielzeugautos herstellen). Glücklicherweise fand ich aber ganz in der Nähe einen geeigneten Platz am Straßenrand; die Gebühr von umgerechnet 1,90 EUR zahlte ich wieder am Automaten, dieses Mal gleich mit der „richtigen“ Kreditkarte! 😉

Einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt hat man von einem zum Schlosspark gehörenden Hügel, den ich über viele Stufen zunächst ’mal erklimmen musste.

Dort trifft man auf den Burgturm Kärnan, der natürlich von ganz oben eine noch viel bessere Sicht bieten würde; den Aufstieg habe ich mir aber aus Zeitgründen erspart.

Der Stortorget ist im Gegensatz zum seinem Pendant in Malmö ein langgestreckter Platz, der in Richtung Hafen weist.

Der Streifen am Horizont gehört bereits zum nur ein paar Kilometer entfernten Dänemark.

Nachdem wieder ’mal etliche neue Fotos „im Kasten“ waren, stieg ich wieder nach unten und schlenderte über den Stortorget…

…an dessen Ende ein wahres Schmuckstück auf mich wartete. Das Rathaus des Stadt ist ein neogotisches, mit Türmchen, Zinnen und einer reich geschmückten Fassade verziertes Bauwerk. Sein 65 m hoher Glockenturm spielt dreimal pro Tag eine hübsche Melodie.

Auf der anderen Straßenseite bietet sich gleich ein weiteres tolles Fotomotiv an: Aus zwei mit Mosaiksteinen in verschiedenen Blautönen gekachelten Flächen hat die dänische Künstlerin Betty Engholm ein attraktives Brunnen-Ensemble gestaltet; durch das über die Steine fließende Wasser leuchten die Blautöne in der Sonne ungewöhnlich intensiv.

Mein Spaziergang führte mich nun bis zum Hafen, von dort aus immer nah am Ufer entlang in Richtung Norden und später durch eine ansprechende Fußgängerzone schließlich wieder zurück zum Wohnmobil.

Ich muss sagen, dass mir diese Stadt trotz dieses recht kurzen Besuchs ausgesprochen gut gefallen hat, mindestens ebenso gut wie Malmö! Gut, dass ich mich zu dieser kleinen Stippvisite entschlossen hatte, denn vor meiner Reise hatte ich diese Stadt überhaupt nicht „auf dem Zettel“…

Nun wurde es langsam Zeit, sich über den heutigen Übernachtungsplatz Gedanken zu machen! Der Stellplatz an der Marina in Domsten, einem kleinen nur etwa 10 km entfernten Ort, wurde ebenfalls im Reiseführer genannt. Obwohl ich nach der „Flop“ mit dem Parkplatz etwas skeptisch war, fuhr ich dennoch hin. Ich hatte Glück, es stand gerade noch ein einziger Platz für ein Wohnmobil zur Verfügung, den ich sofort in Beschlag nahm! Ich zahlte an einem Kiosk 200 SEK (ich hatte mir inzwischen an einem Geldautomaten Bargeld besorgt) und legte nach einer gemütlichen Kaffeepause ein kurzes Schläfchen ein.

Ab 18:00 Uhr leitete ich ganz offiziell die Cocktail Time ein und arbeitete an meinen Notizen zum Verlauf des heutigen Tags. Ich hatte heute sehr viel gesehen und unternommen, das Wetter war perfekt und ich war mit dem ersten Reisetag in Schweden voll und ganz zufrieden!

Nun hatte ich noch jede Menge Zeit, fleißig zu fotografieren, sowohl vom Wohnmobil aus als auch während eines kleinen Spaziergangs innerhalb der Anlage. Es war unglaublich, wie viele Schiffe dieses Nadelöhr im Öresund passierten, sehr häufig Kreuzfahrtschiffe…

Ständig im Blick hatte ich das Ufer der gegenüber liegenden Insel Seeland sowie das kaum zu übersehende Schloss Kronburg im dänischen Helsingør. Bekannt ist es auch als Hamletschloss, da William Shakespeare hier die Handlung seines Schauspiels Hamlet ansiedelte.

Fast mehr reizte mich aber die wunderschöne Umgebung hier; im attraktiven Abendlicht wirkte alles so friedlich und natürlich.

Wie gestern wurde auch mein heutiger Tag durch einen wunderschönen Sonnenuntergang gekrönt…

4 thoughts on “Von Drehtürmen und Knotenrevolvern”

  1. Hallo Wolfgang,
    deinen Gesichtsausdruck hätte ich gerne gesehen als du den fast leeren Parkplatz gesehen hattest. Die Öresundbrücke stand doch Pate der Krimiserie „Die Brücke“, welche ich überaus gut fand. Läuft übrigens auch auf NETFLIX 😉 Lohnt sich sehr ! Lennon’s Tod war damals eine schreckliche Nachricht für mich, wie auch bei ein paar anderen Musikern bisher in meinem Leben. Schön das sein Freund ihn auf diese Weise ehrt, aber die gleiche Skulptur so oft ? Irgendwie fehlt dann die Orginalität, oder ? Der Turning Torso sieht genial aus, auch weil er so allein mit seiner Höhe herausragt. So ein ähnliches spektakuläres Gebäude sahen wir in Vancouver, bei dem man verdutzt sich die Augen reiben mußte. Je nach Perspektive schien es unmöglich zu sein das der Turm stabil steht. Hier ein Foto von meiner schnellen Suche bei
    flickr : https://www.flickr.com/photos/anthonymaw/50527171216/in/album-72157716607362197/
    Helsingborgs Rathaus ist wirklich ein Prachtstück ! Mit den weitern vielen, schönen Fotos hast du deinen Tag informativ für den Leser deines tollen Blogs bereichert.
    Lieben Gruß, Roland

    1. Hi Roland, herzlichen Dank für deinen (wie immer) sehr fundierten Kommentar! Und danke auch für den Hinweis auf „Die Brücke“. Die Serie hab‘ ich mir sofort ‚mal markiert. Ist an mir irgendwie völlig vorübergegangen, obwohl ich auch häufig auf Netflix unterwegs bin! Den Vancouver-Turm (kannte ich natürlich auch noch nicht) find‘ ich auch ziemlich „schräg“, bin mir ziemlich sicher, dass der demnächst umfällt… 😉

  2. Hallo Wolfgang,
    was mir auch noch als super Krimi-Serie einfällt ist die englische „Line of Duty“. Jede Staffel ist ein Fall, welcher unheimlich wendungsreich und super spannend erzählt wird. Das ist wirklich die Crème de la Crème. Die kam immer spätnachts im ZDF und ich habe mir die 5 Staffeln dann immer gekauft, weil sie mir so gut gefallen hatte. Bis dann …
    Gruß Roland

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