Nach Donostia-San Sebastián, Bilbao und Santander ist Gijón, die Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft Asturien, nun schon die vierte große Stadt, die ich auf meiner Reise durch den Norden Spaniens besucht habe. A Coruña und das vor allem bei „Jakobspilgern“ bekannte Santiago de Compostela, beide bereits in Galicien gelegen, sowie später hoffentlich auch noch das portugiesische Porto werden diese Liste nach meiner Rückkehr voraussichtlich vervollständigt haben, sofern alles nach Plan verläuft…

Meine Radtour in der Hafenstadt durfte ich heute bei wirklich schönen Wetter genießen! Während des Frühstücks war es zwar noch stark bewölkt, aber später lockerte es schnell auf, und ich freute mich während des Rests des Tages über den meist blauen Himmel. Wie schon gestern erwähnt, liegt mein Campingplatz im Osten der Stadt; der Weg ins Zentrum und in die Altstadt verlief daher meist direkt an der Küste entlang, so, wie ich es sehr gern mag!

Als erstes ging es durch einen der beliebtesten Parks der Stadt, den Skulpturenpark El Rinconín, der von etlichen Fahrrad- und Gehwegen durchzogen ist. Hierher kommen die Einheimischen zum Sonnenbaden, Chillen, Gassi-Gehen oder Spielen mit den Kindern.

Diese Skulptur stammt vom spanischen Bildhauer Pepe Noja und trägt den Namen Solidaridad (deutsch Solidarität). Es handelt sich um eine von mehr als einhundert Skulpturen, Denkmälern und Kunstwerken, die die Straßen und Plätze der Stadt schmücken. Den Einwohnern von Gijón ist es eher unter dem Spitznamen Los Nudos (deutsch Die Knoten) oder El Merucu (deutsch Wurm) bekannt.

Deutlich bekannter ist aber diese Skulptur: Das Monument La Madre Del Emigrante (deutsch Die Mutter des Emigranten) steht symbolisch für alle Mütter, die ihren Kindern wehmütig nachblickten, als diese als Auswanderer nach Amerika auf eine ungewisse Reise gingen.

Gijón ist nicht nur die Hauptstadt, sondern mit knapp 300.000 Einwohnern auch die größte Küstenstadt Asturiens, eine Mischung aus Industriehafen und moderner, lebendiger Metropole. Dem Atlantik zugewandt, bietet sie trotz industrieller Prägung einige reizvolle Ecken wie zum Beispiel das historische Fischerviertel Cimadevilla oder die Landspitze Rinconín mit Blick auf die Bahía de San Lorenzo und die Strandpromenade. Sicher gehören die Strände von Gijón nicht zu den schönsten (und saubersten) in Asturien, aber die Stadt hat durchaus ihren ganz eigenen Charme.

Eine kilometerlange, gepflegte Promenade begleitet den Atlantik und lädt zum Flanieren oder Radfahren ein. Es herrschte reichlich Betrieb, auch auf den vorgelagerten Stränden.

Am Ende der langen und sichelförmigen Playa de San Lorenzo hat man einen schönen Blick auf Cimadevilla, die auf einer kleinen Halbinsel liegende, verwinkelte Altstadt von Gijón, sowie auf die hübsche Iglesia de San Pedro und deren Glockenturm.

Die zwischen 1945 und 1955 von den Architekten Francisco und Federico Somolinos erbaute Kirche steht an der Stelle eines Tempels aus dem 15. Jahrhundert, der bis Ende des 19. Jahrhunderts als Pfarrkirche der Stadt diente.

Dieser Straßenkünstler hatte eine äußerst beeindruckende und sonore Stimme. Obwohl er ständig lächelte, hatten seine Lieder einen irgendwie melancholischen Charakter. Das erinnert mich fast an den portugiesischen Musikstil Fado. Ich blieb hier eine ganze Weile stehen, um ihm zuzuhören.

In der Altstadt suchte ich als erstes den zentralen Platz auf, der Plaza Mayor. Hier befindet sich auf die bekannte Sidrería La Galana, die ich mir auf jeden Fall von innen anschauen wollte.

Hier kann man nämlich das asturische Nationalgericht Fabada Asturiana, einen Eintopf aus weißen Bohnen mit Bauchfleisch, Blutwurst und Chorizo-Würsten, probieren! Ich bestellte mir eine kleine Portion und war auf der Stelle hellauf begeistert! Das Ganze besitzt einen speziellen, rauchigen Geschmack, der mir extrem zusagte.

Dazu trank ich zwei kleine Gläser Cidre. Besonders auffällig ist die besondere Art, dieses Getränk einzuschenken. Dabei hält der Einschenkende die Flasche mit dem einen Arm möglichst hoch und versucht, den Apfelwein in den in der anderen Hand niedrig gehaltenen Becher einzuschenken. Oft brauchen auch Geübte einige Versuche, daher kann man hier oft Cidrepfützen sehen (und riechen!). Es gibt sogar regionale Einschenkwettbewerbe, bei denen auf großer Bühne um die Kunst des Einschenkens gewetteifert wird.

Gleich nebenan liegt ein weiterer schöner und um diese Zeit gut besuchter Platz, der Plaza de Marquéz, der dann weiter zur Marina der Stadt führt.

Hier traf ich auf eine aus einem Ideenwettbewerb entstandene, sehr spezielle „Skulptur“, die aus 3.200 leeren und auf den Kopf gestellten Cidre-Flaschen besteht.

Immer wieder kann man in der Stadt gekachelte Häuserfassaden bewundern…

…und auf meiner Tour durch die Altstadt sah ich noch einige weitere, hübsche Plätze.

Meine weitere Route führte mich schließlich auf die nördliche Seite der vorhin erwähnten Halbinsel; sie wird dominiert vom Parque del Cerro, einer Grünanlage, die auf den Resten einer ehemaligen Festungsanlage errichtet wurde. Die Ausblicke von dort auf die Bucht von Biskaya waren einfach herrlich!

Später fuhr ich in den östlichen Teil der Stadt, vorbei an ein paar weiteren, eher kleinen Stränden…

…durch viele Straßen mit imposanten, eigenwilligen und vor allem bunten Häuserfassaden…

…und durch den schönen Parque de Moreda. Dort traf ich auf dieses Monument. La Torre de la Memoria (deutsch Der Turm der Erinnerung) besteht aus einem 16 m hohen, quadratischen Eisenturm, der mit 1.000 kleinen, geometrischen Edelstahlstückchen besetzt ist.

Ganz zum Schluss folgte ich noch einem Hinweis aus meinem Reiseführer und machte einen ziemlich langen Abstecher zur im Südosten der Stadt im Stadtteil Cabueñes gelegenen Universidad Laboral de Gijón, die wegen ihres extrem hohen Turms bereits von weitem einen imposanten Eindruck machte.

Der riesige Universitätskomplex wurde in der Franco-Zeit zwischen 1946 und 1956 in monumentalem Stil und mit beeindruckenden Dimensionen erbaut und ist das wichtigste architektonische Werk des 20. Jahrhunderts in Asturien. Der multinationale Konzern ThyssenKrupp hat im Nordflügel auf rund 2.000 qm ein Weltzentrum für Forschung und Entwicklung eingerichtet. Im Übrigen sind viele Bereiche des Komplexes frei zugänglich, da dort auch weitere Institutionen ihren Sitz gefunden haben. Der Park Scienfic and Technologic und der Campus von Gijón als Teil der Universität von Oviedo nutzen inzwischen auch die Sportanlagen der Universidad Laboral. Hier ein Blick in den Innenhof des gewaltigen Gebäudes.

Nun machte ich mich endgültig auf den Rückweg zum Campingplatz. Dabei fuhr ich wieder ein Stück an der schönen Küste entlang. Inzwischen war es deutlich windiger (aber nicht kalt) geworden; es unterstrich noch einmal den sehr maritimen Charakter dieser schönen Stadt. Gijón wird mir in Zukunft in bester Erinnerung bleiben, da bin ich mir ganz sicher.

Ich war sehr froh, meine Radtour und meinen Aufenthalt hier bei so schönem Wetter erlebt haben zu können. Auf Gijón hatte ich mich schon im Vorfeld sehr gefreut; ich bin heute nicht enttäuscht worden und kann morgen früh guten Gewissens weiterreisen…

4 thoughts on “Gijón – bei Fabada und Cidre”

  1. Hallo Wolfgang,
    solch eine morgentliche Fahrt die Küste entlang bei schönem Wetter und mit Aussicht auf das Ziel ist ja mehr als nur ein guter Anfang eines Tages. Zahlreiche Wohntürme stehen entlang der Promende, wie bei den meisten solcher Städten, und hat man da eine Wohnung mit Blick aufs Meer kann man wohl sehr zufrieden sein. Du machst mir gerade schon wieder Appetit zur nahenden Mittagszeit mit den Bohnen, welche ich sehr gerne esse und in dieser Variante bestimmt sehr lecker sind wie du ja auch schreibst. Das einschenken des Cidre ist ja dann so ähnlich wie beim Sherry, was ich schon gesehen habe. Schöne Stadt, dieses Gijon.
    VG Roland

    1. Ja, Gijón war rückblickend tatsächlich eines der ganz besonderen Highlights auf dieser Reise! Übrigens, die Bohnensuppe hat’s zu meiner großen Freude danach schon mindestens drei- oder viermal bei meinen Leuten gegeben; meine Schwägerin bereitet sie so perfekt zu, als wäre sie in Asturien geboren… 😉

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