Komisch, ich hab’ immer noch ein ziemlich eigenartiges Gefühl, wenn ich an den gestrigen Tag und meinen Besuch auf dem amerikanischen Friedhof am Omaha Beach denke! Dass mich die nun schon über 70 Jahre zurückliegenden Ereignisse vom Juni 1944 so in ihren Bann ziehen könnten, nur weil ich zufällig genau an Ort und Stelle war, hätte ich niemals für möglich gehalten. Jetzt aber weiß ich ganz sicher, dass dieses Erlebnis auf jeden Fall positiv in meiner Erinnerung bleiben wird und auf die eine oder andere Art wohl durchaus seinen Sinn hatte…

Auch heute wollte ich noch einige dieser historischen Stätten besuchen, vor allem Utah Beach. Das Fahrrad habe ich den ganzen Tag nicht benutzt, statt dessen habe ich auf meiner Fahrt dorthin mehrere Zwischenstopps eingelegt.

Erstes Etappenziel war der Deutsche Soldatenfriedhof etwas westlich des kleinen Orts La Cambe, nur ca. 30 Autominuten von meinem gestrigen Übernachtungsplatz entfernt. Dort ruhen mehr als 21.000 deutsche Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs in der Normandie gefallen sind. Vorher waren an dieser Stelle, neben einigen deutschen Soldaten, auch amerikanische Gefallene begraben; deren Leichen wurden aber später entweder auf Wunsch der Hinterbliebenen in die USA überführt oder auf dem amerikanischen Friedhof am Omaha Beach erneut bestattet. Die Anlage wurde am 21. September 1961 als Deutsche Kriegsgräberstätte eingeweiht, aber schon viele Jahre vorher inoffiziell vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gepflegt.

Auch diese Anlage gefiel mir sehr gut. Zwar war sie völlig anders gestaltet als die von gestern und vielleicht auch nicht ganz so ästhetisch, aber gerade in ihrer Schlichtheit oder sogar durch ihren fast melancholischen Charakter verfehlte sie ihren besonderen Eindruck auf mich nicht!

Jede der Grabplatten markiert eine Doppelgrabstätte, hier ruhen also jeweils zwei gefallene Soldaten.

Überall auf dem Friedhofsgelände verteilt sieht man außerdem Gruppen von jeweils fünf steinernen, grob gehauenen Kreuzen, die aber keine Einzelgräber repräsentieren.

Der Grabhügel in der Mitte des Platzes wird von zwei Statuen flankiert und ist durch ein großes dunkles Basaltlavakreuz markiert. Dort sind 207 nicht identifizierte und 89 identifizierte deutsche Soldaten in einem Massengrab beigesetzt.

Seit Mitte der 90er Jahre gibt es direkt vor dem Friedhof zum Gedenken an die Operation Overlord ein interessantes Informationszentrum, das ich mir auch noch angesehen habe.

Danach fuhr ich weiter in Richtung Utah Beach und passierte dabei den Ort Isigny-sur-Mer. Mein Reiseführer war der Ansicht, dass ich hier mindestens zwei Stopps einlegen musste, wenn ich schon ‘mal da war, denn dieser Ort sollte sich hervorragend dafür eignen, gleich mehrere leckere französische, oder genauer gesagt, normannische Spezialitäten einkaufen zu können! Vor allem auf hervorragende Molkereiprodukte und zartschmelzende Karamellbonbons wird hier größter Wert gelegt, aber auch Calvados und Cidre kann man hier in allen möglichen und unmöglichen Varianten erstehen.

Der Molkereibetrieb Isigny-Sainte-Mère, direkt am Ortseingang, ist besonders für seine gesalzene Butter bekannt; davon habe ich gleich ‘mal eine Portion eingekauft! Und im Verkaufsshop der Karamellfabrik Caramels d‘Isigny am Ortsausgang habe ich dann so richtig zugeschlagen; dort einmal hindurch zu laufen, ohne etwas zu kaufen, erschien mir so unmöglich wie die Quadratur des Kreises… 😉

Dritte Station meiner „Wohnmobil-Wanderung“ war der kleine Ort Sainte-Marie-du-Mont mit seiner prächtigen Renaissancekirche. Hier parkte ich nur kurz im Ortszentrum und schritt die Straße, die einmal um die Kirche herum führt, ab; hier konnte man auch andere Auswirkungen des WWII-Tourismus sehen: so genannte Militaria-Shops, in denen unter anderem sogar die eigenen Sprösslinge in Kinderuniformen gestopft und mit Stahlhelm und Gewehr ausgerüstet werden können! Angesicht der Millionen Toten dieses furchtbaren Kriegs ist das mehr als unpassend, finde ich…

Deutlich interessanter fand ich eine Entdeckung in einer Ecke des Platzes: Zwischen einem Brunnen und einer Hauswand ist damals ein Fallschirmspringer bei seiner Landung steckengeblieben, hat sich aber durchaus nicht gehindert gefühlt, trotzdem aktiv am Kriegsgeschehen teilzunehmen…

Jetzt waren es nur noch ein paar Kilometer bis zum Utah Beach. Dort konnte ich problemlos am Straßenrand parken und mir den so berühmten Strand und verschiedene andere Dinge ansehen.

Ein Dünenstück wurde von der Gemeinde Sainte-Marie-du-Mont gestiftet und ist heute amerikanisches Territorium. Darauf erhebt sich eine Stele zu Ehren der gefallenen Soldaten. In einem Museum sind Waffen, Ausrüstungsgegenstände und ein Dokumentarfilm über die Landung zu sehen. Im Außenbereich findet man eine Nachbildung eines typischen Landungsboots, aus der eine Gruppe GIs herausstürmt, sowie einen Sherman-Panzer und ein Flak-Geschütz.

Im Café Le Roosevelt, einer durchaus einladenden Brasserie mit angeschlossenem Souvenirladen, befindet sich eine kleine Bar, in der man allerlei Fotos, Plakate und Ausrüstungsgegenstände bestauen kann…

Mein letztes Ziel für heute war der ca. 15 km entfernte Ort Sainte-Mère-Église. Hier landete in der Nacht auf den 6. Juni die 82. US-Luftlandedivision, die die Zugänge zum Utah Beach freikämpfen sollte. John Steele, einer dieser Fallschirmspringer, blieb allerdings mit seinem Fallschirm dummerweise am Kirchturm des Orts hängen! Er musste, verletzt durch einen Granatsplitter, den Kämpfen zu seinen Füßen stundenlang tatenlos zusehen, bis er endlich von einem deutschen Soldaten aus seiner misslichen Lage befreit wurde. Aus der deutschen Gefangenschaft konnte er nach einigen Tagen fliehen. Noch heute hängt zur Erinnerung an diese etwas kuriose Geschichte eine lebensgroße Puppe samt Fallschirm am Kirchturm!

Den Rest des Tages nutzte ich, um die äußerste Nordwestecke der Halbinsel Cotentin und damit das Cap de la Hague zu erreichen; eine halbe Stunde nach der Durchfahrt durch die 90.000-Einwohner-Stadt Cherbourg fuhr ich am Ortsausgang von Auderville auf einen kostenlosen Wohnmobil-Stellplatz, von dem aus ich einen wunderschönen Blick auf das Meer und auf einen am Strand befindlichen Leuchtturm hatte…

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