So langsam nähere ich mich meinem ersten großen Etappenziel dieser Reise, der in der Bretagne liegenden Hafenstadt Cherbourg. Von dort aus wird, wenn alles klappt, in drei Tagen meine Fähre nach Irland, genauer gesagt, nach Dublin ablegen. Vorher steht allerdings noch der morgige Besuch in Caen an, wo ich hoffentlich alte Freunde treffen werde!

Die schöne Stadt Rouen, die Hauptstadt der nordfranzösischen Region Normandie, habe ich bereits heute erkundet. Sie liegt am Unterlauf der Seine und ist trotz ihrer großen Entfernung zum Meer eine bedeutende Hafenstadt. Sie hat sowohl unter römischer Herrschaft als auch während des Mittelalters eine wichtige Rolle gespielt. In der kopfsteingepflasterten Fußgängerzone kann man beeindruckende Fachwerkfassaden bestaunen, dazu gibt’s später einige Beispielfotos. Insgesamt gibt es heute noch an die 2.000 Fachwerkhäuser in der Stadt!

Die Entfernung von Amiens, meinem gestrigen Ziel, beträgt etwa 100 km, die ich zur Hälfte auf Landstraßen und zur anderen Hälfte auf Autobahnen zurückgelegte. Auch dieses Mal hatte ich mich natürlich bezüglich eines Übernachtungsplatzes gut vorbereitet: Ich fand einen von Wohnmobilen gern benutzten Parkplatz mitten in der Stadt, den ich als erstes anfahren wollte. Das Besondere an diesem Platz war seine exponierte Lage auf einer kleinen Insel und direkt am Ufer der Seine!

Tatsächlich passte hier alles: Als ich eintraf, sah ich einige Wohnmobile, die auf dem großen Platz parkten und hier höchstwahrscheinlich auch übernachtet hatten. Ein blau-weißes „P“-Schild fand ich zwar nirgendwo, andererseits gab’s aber auch keinerlei Verbotsschilder, schon gar nicht solche, die auf ein Übernachtungsverbot für Wohnmobile hinwiesen. Ich fühlte mich hier absolut sicher und suchte mir kurzerhand eine passende Stelle aus, von der aus ich einen tollen Blick auf die Seine hatte.

Nach einem kurzen Mittagessen, das heute nur aus zwei Sandwiches und einem Glas Traubensaft bestand, ging es wie immer mit dem Fahrrad in die Stadt. Ich hatte mir vorher einige Sehenswürdigkeiten herausgeschrieben, die ich besuchen wollte, und daraus ergab sich sehr schnell eine Fahrtroute für meine Komoot-App.

Wie schon gestern in Amiens, zog es mich auch heute als erstes wieder zur der wohl allerwichtigsten Attraktion der Stadt, der Kathedrale von Rouen, die mich im Nachhinein ebenso beeindruckt hat wie ihr Pendant in Amiens. Ihre Türme dominieren das Stadtbild und wurden vom impressionistischen Maler Claude Monet auf zahlreichen seiner Gemälde verewigt. Der offizielle französische Name der Kirche lautet übrigens Cathédrale primatiale Notre-Dame de l’Assomption de Rouen. Merkt euch das, das wird später abgefragt… 😉

Die Kirche zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauten Frankreichs im gotischen Stil und ist bis heute Kathedrale des Erzbischofs von Rouen. Ihr Bau wurde um 1180 als Ersatz eines älteren Bauwerkes begonnen, ihre Westfassade wurde um 1450 fertiggestellt. Sie besitzt vier Querschiffarme und sieben(!) Türme.

Natürlich ließ ich mir einen Blick in das Innere keinesfalls entgehen.

Die Kathedrale war eine der ersten, in der nachweislich eine Orgel stand. Das erste Instrument datiert wohl auf die Zeit noch vor dem Jahr 1380. Es stand zunächst im nördlichen Querschiff und wurde dann 1493 auf die Westempore versetzt. Bei einem Sturm im Jahre 1683 wurde es stark beschädigt und 1686 durch den Orgelbauer Robert Clicquot wieder aufgebaut.

Jährlich im Sommer kommen unzählige Besucher auf den Vorplatz der Kathedrale, um zu erleben, wie deren Fassade zum Leben erwacht. Ob es Projektionen über die Wikinger oder die Geschichte von Johanna von Orléans, den Impressionismus oder die Entdeckung neuer Welten gibt, jedes Jahr staunen tausende Besucher über das magische Lichtspektakel. So etwas Schönes hätte ich mir natürlich auch sehr gern angesehen…

Dieses ehrwürdige Gebäude, das älteste noch erhaltene Renaissance-Monument in Rouen, beherbergt das Fremdenverkehrsamt und das Finanzamt.

Von hier aus wanderte ich, das Fahrrad schiebend, auf der Rue du Gros Horloge in westliche Richtung, wo ich bereits die ersten sehenswerten Fachwerkhäuser passierte.

Der Große Uhrenturm (französisch Le Gros Horloge), eine astronomische Uhr aus dem 14. Jahrhundert und damit Frankreichs ältestes Uhrwerk, ist ein Charakteristikum von Rouen und eine bei Touristen sehr beliebte Sehenswürdigkeit direkt in der Innenstadt.

Ein einziger Zeiger mit der Darstellung eines Lamms an der Spitze zeigt die Stunde an. Die Mondphasen werden oberhalb des Zifferblatts durch eine Kugel von 30 cm Durchmesser angezeigt; sie vollführt eine vollständige Drehung innerhalb von 29 Tagen. In einer Öffnung unterhalb des Zifferblatts gibt es einen mit allegorischen Abbildungen geschmückten Wochentagsanzeiger.

Ein kurzes Stück ging es noch dieser Richtung weiter, dann bog ich nach Süden ab und fuhr in Richtung Seine…

Dort angekommen, folgte ich dem Fluß an seinem linken Ufer eine ganze Weile.

Rechts im Hintergrund sieht man den riesigen Turm der Kathedrale. Mit 151,5 m ist er der höchste in ganz Frankreich!

Umkehrpunkt war die Halbinsel Rollet, über die die gewaltige Pont Gustave Flaubert führt. Die 2008 eingeweihte Brücke wurde nach einem in Rouen geborenen Schriftsteller benannt; sie ist die höchste Hubbrücke der Welt! Man sieht, in Rouen gibt’s so einige Superlative… 😉

Nun fuhr ich wieder zurück, überquerte den Fluss an derselben Stelle wie vorher und schaute mich dann noch etwas genauer im Zentrum der Altstadt um.

Am Place du Vieux-Marché wurde am 30. Mai 1431 Jeanne d’Arc verbrannt. Seit 1979 steht dort die moderne Kirche Sainte-Jeanne-d’Arc. Die Form des Dachs und der kleinen Hallen dahinter sollen an die Flammen eines Scheiterhaufens erinnern. Im Inneren kann man die bemerkenswerten Glasfenster der alten Kirche Saint-Vincent aus der Renaissance bewundern.

Dieser schöne Platz schien mir perfekt geeignet für eine Kaffeepause. Ich setzte mich in das erstbeste Lokal und genoss das bunte Treiben um mich herum…

Dieser leckere Schokokuchen schlug (samt Cappuccino) mit 13,40 EUR zu Buche! Holy moly, dieser stolze Preis ist ganz sicher der besonderen location zu verdanken…

Nach der Pause fuhr ich noch kurz in Richtung Rathaus (leider keine Fotos) und fotografierte wieder unzählige Fachwerkhäuser; die hatten es mir offenbar angetan!

Danach beendete ich meine heutige Tour und wandte mich wieder meiner kleinen Insel und dem darauf befindlichen Parkplatz zu. Dort standen jetzt zwar andere, aber etwa ebenso viele Wohnmobile wie bei meiner Ankunft heute Mittag.

Meinen heutigen Abend beendete ich mit dem spannenden ersten Teil der zweiteiligen Netflix-Reihe Die Sturmflut. Und ich freute mich sehr auf morgen, denn dann würde ich, wie bereits eingangs erwähnt, in Caen auf langjährige Freunde treffen, die ebenfalls gerade mit ihrem Wohnmobil in Nordfrankreich unterwegs sind…

5 thoughts on “Im mittelalterlichen Rouen”

  1. Wolle, Wolle: Deine Berichte erzeugen Reisenervosität bei mir!!
    Deine Fotos, Recherchen und Kommentare sind hervorragend und werden dazu führen, dass ich das eine oder andere Ziel Deiner Reise auch noch mal besuchen werde.!!
    Bin schon sehr auf Irland gespannt – das ist ja unser nächstes Ziel!!
    Mit besten Grüßen
    T&B

  2. Eine wunderschöne Stadt, die Du uns hier zeigst. Sie steht mit ihrem Seine-Hafen tatsächlich auch auf einigen Schiffstouren, selbst bei AIDA , auf dem Programm.

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