Meiner Planung für die Anreise nach Irland folgend, stand nach Münster und Eindhoven in Holland heute ein Besuch in Antwerpen an, die mit Abstand größte Stadt Belgiens! Die Entfernung zwischen Eindhoven und Antwerpen beträgt nur ca. 90 km, dementsprechend früh traf ich auf dem schon vorher ausgewählten Campingplatz Camperplaats Vogelzang ein. Das Einchecken ging sehr schnell über die Bühne, die Übernachtung kostete gerade ’mal 10 Euro. Nachdem ich mir einen schönen Platz ausgesucht und alles vorbereitet hatte, ging es auch schon mit dem Fahrrad in Richtung Innenstadt. Für eine Mittagspause war es jetzt noch viel zu früh.

Um es gleich vorwegzunehmen, mein Besuch in Antwerpen unterschied drastisch sich von dem in Eindhoven: Ich hatte mich auf Eindhoven sehr gefreut, war aber nach meinem Besuch eher ein wenig enttäuscht! Bei Antwerpen war es genau umgekehrt. Von dieser Stadt hatte ich bisher eigentlich nur sehr wenig gewusst und daher auch entsprechend wenig erwartet. Umso überraschter war ich, als ich im Verlauf meiner Erkundungstour feststellte, wie sehr sich ein Besuch hier lohnt.

Diese Stadt hat ein überaus internationales Flair, nicht nur, was Geschichte, Kultur, Architektur und den riesigen Seehafen anbelangt, sondern auch bezüglich der bunt gemischten Bevölkerung. Antwerpen hat unter anderem eine der größten jüdischen Gemeinschaften Europas, weshalb orthodoxe und ultra-orthodoxe Juden in einigen Vierteln das Stadtbild prägen. Die Antwerpener Juden dominieren besonders den Diamantenhandel, natürlich gibt es auch zahlreiche Synagogen und Bethäuser.

Nach einer Weile traf ich auf dem Königin Astridplein ein, einem großem Platz vor dem Bahnhof und dem Zoo. An dessen Nordseite steht das Radisson Blu Astrid Hotel mit seiner sehenswerten Fassade.

Auch mit Antwerpen hatte ich mich während meiner Reisevorbereitung natürlich ausführlich beschäftigt. Ich hatte mir verschiedene Sehenswürdigkeiten herausgeschrieben, die ich für besuchenswert hielt. Dazu gehörte vor allem der Hauptbahnhof der Stadt! Der Bahnhof Antwerpen-Centraal, den man sich angeblich auf keinen Fall entgehen lassen darf, ist schon eher ein Palast als „nur“ eine Bahnstation. Seine gigantische, 75 m hohe Kuppel erinnert ein wenig an das berühmte Pantheon in Rom, aus diesem Grund wird er im Volksmund auch „Eisenbahnkathedrale“ genannt. Schon sein Äußeres wirkt sehr imposant…

Der Bahnhof ist eine beliebte Kulisse für eine Vielzahl von Spielfilmen geworden. 2009 entstand bei einem inszenierten Flashmob ein Musikvideo mit dem Lied „Do-Re-Mi“ aus dem Musical The Sound of Music, das schnell zu einem viralen Video im Internet wurde. Das kann man sich noch heute auf YouTube anschauen…

Dass der Name Antwerpen sinngemäß „Hand werfen“ bedeutet, ist eine im 15. Jahrhundert erfundene Geschichte, die auf eine Legende zurückgeht; darauf gehe ich später etwas näher ein. Eine lokale Spezialität, nämlich kleine Schokoladenhände namens Antwerpse Handjes, erinnert an diese Legende. Und eben auch diese in der Gleishalle aufgestellte Hand des chinesischen Künstlers Yan Shufen, die gleichzeitig eine Friedenstaube darstellen soll. Übrigens, eine Packung „Schoko-Handjes“ hatte ich mir im Lauf des Tages auch gleich ’mal besorgt, mein erstes „Mitbringsel“ von dieser langen Reise, die ja erst drei Tage alt ist… 😉

Nach dem Besuch des Bahnhofs wandte ich mich von hier aus nach Westen in Richtung Altstadt, die ab dem Teniers Plaats (David Teniers war ein flämischer Maler) mit der Leysstraat beginnt und in die daran anschließende Prachtstraße Meir übergeht. 

Am Ende der Meir verließ ich die Altstadt aber für’s erste wieder und fuhr nach Norden in das riesige Hafengebiet, wo es natürlich ebenfalls viel Interessantes zu sehen gab. Wie zum Beispiel die Londenbrug (London-Brücke) in der Nähe des rechten Ufers der Schelde

…oder aber dieses absolut ungewöhnliche „Monstrum“: Das Port House bzw. das Havenhuis besteht aus dem Gebäude der ehemaligen Feuerwache und einem oben aufgesetzten Neubau von Zaha Hadid, der 2016 fertiggestellt wurde und an die Form eines Schiffs erinnern soll. Das Gebäude befindet sich am Kattendijkdok und beherbergt unter anderem die Antwerpener Hafenbehörde. Der Baukörper weckt außerdem Assoziationen an einen Diamanten und damit auch einen Bezug zum in Antwerpen ansässigen Diamantenhandel.

Ich muss sagen, das war eines der wohl außergewöhnlichsten Gebäude, die ich in meinem bisherigen Leben zu sehen bekam! Nicht nur die offensichtliche Diskrepanz zwischen alter und neuer Architektur, sondern vor allem die Tatsache, dass beide Gebäudeteile offenbar in keinster Weise zusammenzupassen schienen und zu allem Überfluss auch noch „aufeinandergestapelt“ waren, mag wohl der Grund dafür gewesen sein, dass ich von diesem Anblick schlichtweg fasziniert war! Ich habe hier etliche Fotos gemacht und sogar verhältnismäßig viel Zeit dafür aufgewendet, besondere Stadtpunkte zum Fotografieren ausfindig zu machen, was allerdings aufgrund der Größe dieser Konstruktion nicht ganz so einfach war.

Nach diesem „Wow-Effekt“ musste erst einmal eine kleine Pause her! Ich setzte mich in ein gut besuchtes Straßencafé direkt am Wasser und bestellte neben dem üblichen Glas Bier ein Croque Madame; sehr lecker und für meinen nicht allzu großen Hunger völlig ausreichend.

Gleich nebenan befindet sich ein weiteres Highlight der Stadt, das ebenfalls auf meinem Zettel stand und für das ich wegen der Aussichtsterasse ganz oben (der Zugang ist kostenlos) auch etwas Zeit eingeplant hatte. Das 62 m hohe Museum aan de Stroom (deutsch Museum am Fluss), kurz MAS, wurde im Mai 2011 eröffnet. Dort sind unter anderem Sammlungen des Etnografisch Museum, des Nationaal Scheepvaartmuseum, des Volkskundemuseums sowie Teilsammlungen des Museum Vleeshuis zusammengelegt worden. Insgesamt umfasst der Fundus mehr als 470.000 Objekte!

Die Ausstellungsräume des Museumsturms sind über zehn Etagen in Containern oder „Boxen“ gestapelt. Dabei ist jede Ebene um 90° gedreht, so dass sich eine spiralförmige Anordnung ergibt. Die dazwischen liegenden Galerien mit gewellten Glasflächen erlauben wechselnde Ausblicke auf Stadt und Hafen. Die Fassade des Museums aus rötlichem indischem Sandstein ist mit 3.000 Händen aus poliertem Aluminium verziert, eine Anspielung auf die oben bereits erläuterte Herkunft des Stadtnamens von Antwerpen. Auf dem Weg nach oben boten sich bereits tolle Blicke auf die Stadt…

…aber von oben hat man natürlich noch bessere Möglichkeiten. Man kann ungehindert in alle vier Himmelsrichtungen schauen. An einem der Tische unten rechts auf dem Foto hatte ich gerade eben noch meine „Madame“ verzehrt… 😉

Hier schaut man in Richtung Kattendijkdok und auf die weiter oben bereits vorgestellte Londenbrug.

Etwas weiter links kommt die Biegung der hier schon recht breiten Schelde ins Blickfeld. Bis zur endgültigen Mündung über die Westerschelde in die Nordsee sind es allerdings noch ca. 60 km!

Richtung Osten überblickt man den gesamten Willemdock.

In Richtung Markplatz schaut man auf die Liebfrauenkirche; sie zählt zu den Höhepunkten der Brabanter Gotik. Ihr Turm, der zurzeit eingerüstet war, gehört seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Das Antwerpener Lotsengebäude ist ein 1892 bis 1895 gebautes Gebäude am Tavernierkaai, in dem die Verwaltung des Lotsendienstes untergebracht war. Der Entwurf stammt von den Architekten Hendrik Kennis und Ferdinand Truyman. Bis 2016 beherbergte das Gebäude unter anderem die Seeinspektion und das Lotsen- und Flottenamt, heute ist es Sitz mehrerer Firmen.

Nach dem Besuch der Aussichtsplattform, der sich in jeder Beziehung gelohnt hatte, fuhr ich weiter, nun bis zum Ufer der Schelde. Dort traf ich auf Stadtburg Steen, die früher Teil der Antwerpener Stadtmauer war. Sie gilt heute als Wahrzeichen und ältestes Bauwerk der Stadt! Seit der Generalsanierung und der Erweiterung im letzten Jahr ist sie als Besucherzentrum, Kreuzfahrt­terminal(!) und Aussichtspunkt wieder öffentlich zugänglich. Auf einen Besuch habe ich allerdings verzichtet.

Ein kurzes Stückchen fuhr ich noch weiter am Ufer entlang, danach wandte ich mich wieder dem Zentrum der Altstadt zu…

Schon beim Anblick dieser Fassaden ahnte ich, was mich wohl gleich erwarten würde…

Nach der Ankunft auf dem zentralen Platz der Stadt, dem Groote Mart, war ich endgültig verliebt in diese Stadt! Im Zusammenhang mit der Entwicklung zu einer bedeutenden Handelsmetropole im Mittelalter bauten viele reiche Kaufleute und die Zünfte prächtige Gebäude um diesen Platz herum; allesamt sind gut erhalten und wunderschön restauriert. Ich wurde sofort stark an ebenfalls sehr schönen Städte in Belgien erinnert, nämlich Brüssel, Gent und Brügge. Alle drei hatte ich ja bereits während meiner Reise nach Paris vor zwei Jahren besuchen dürfen.

Das vorige Foto zeigt unter anderem den sogenannten Brabobrunnen. Er wurde 1887 vom Antwerpener Bildhauer Jef Lambeaux geschaffen. In ihrer Darstellung bezieht sich die Bronzestatue auf die Legende um die Stadtgründung Antwerpens. Sie zeigt den jungen Helden Silvius Brabo, wie er die abgehackte Hand des Riesen Druon Antigon, den er zuvor im Kampf besiegt hatte, in die Schelde wirft! Der Riese hatte am Ufer der Schelde von den vorbeifahrenden Schiffern Wegzoll verlangt. Konnten sie den nicht zahlen, hackte er ihnen die rechte Hand ab. Der Name der Stadt soll der Überlieferung nach von diesem Ereignis, dem „Hand werfen“, herrühren. Wie weiter oben aber schon erwähnt, handelt es sich leider um eine frei erfundene Geschichte…

Die vielen Gildehäuser mit ihrem teils verspielten Giebelschmuck (zum Beispiel am Sint-Joris Gildehuis links der Fotomitte) sind einfach umwerfend schön!

Nach einem kurzen Besuch in der weiter oben schon erwähnten Liebfrauenkathedrale (niederländisch Onze-Lieve-Vrouwekathedraal), von deren Innerem ich leider keine Fotos habe, machte ich mich so langsam wieder auf dem langen Rückweg zum Campingplatz. Meine Tour führte dabei zu einem großen Teil wieder am rechten Scheldeufer entlang.

Kurz nach 16 Uhr war ich zurück im Wohnmobil und versuchte, die vielen Eindrücke von heute zu verarbeiten! Passend zu meinem aktuellen Standort schaute ich mir nach dem Abendessen den Netflix-Film Die Schlacht um die Schelde an; durchaus spannend und interessant, fand ich! Morgen werde ich die zweite belgische Stadt auf dieser Reise besuchen, nämlich Ostende.

2 thoughts on “Der Diamant von Antwerpen”

  1. Oh wie schön. Ja Antwerpen war auf unserer Flussreise 2021 auch ein Höhepunkt. Es hat uns sehr gut gefallen. Die Kathedrale war damals leider auch schon eingerüstet, zum damaligen Zeitpunkt leider auch die Stadtburg. Aber der „Groote Markt“ war traumhaft schön und die Stadt hat uns auch begeistert.

    1. Ja, die großen belgischen Städte, die ich bisher kennenlernen durfte, haben’s ganz schön in sich; hatte ich vor ein paar Jahren noch nicht gewusst! Danke für deinen Beitrag, Anja.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert